Süddeutsche Zeitung

Libyen-Konflikt:Warum Griechenland Rebellenführer Haftar hofiert

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Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Im blauen Anzug, mit roter Krawatte und weißem Hemd, erschien Chalifa Haftar, der libysche Rebellenführer, im Athener Außenministerium. Haftar war am Donnerstagabend überraschend mit einer Privatmaschine auf dem Athener Flughafen gelandet, und hatte noch in der Nacht den griechischen Außenminister Nikos Dendias zu einem "informellen Gespräch" getroffen. Am Freitagmorgen folgte dann der offizielle Empfang im Außenamt.

Die konservative griechische Regierung hofiert den Belagerer von Tripolis. Sie droht dazu noch, alle Beschlüsse der EU zu Libyen zu blockieren, weil Griechenland nicht zu der Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin eingeladen ist.

Der Grund für Athens Einspruch: Griechenland ist erbost über die international anerkannte libysche Regierung von Premier Fayez el-Serraj, weil diese mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Abkommen zur gemeinsamen Ausbeutung von Bodenschätzen im Mittelmeer getroffen hat, ohne Griechenlands Inseln zu berücksichtigen. So verfährt Athen nun nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund - und hält sich an Haftar.

Premier Kyriakos Mitsotakis sagte dem griechischen Sender Alpha: "Es gibt ein Veto zu jeder Art von Übereinkunft zwischen der EU und Libyen, solange Tripolis nicht sein Abkommen mit der Türkei annulliert." Er habe sich auch schriftlich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel beschwert, dass Griechenland nicht zu der Berliner Konferenz geladen wurde, sagte Mitsotakis.

In Berlin steht man auf dem Standpunkt, es gehe jetzt nicht um das Seerechtsabkommen, sondern nur darum, einen Waffenstillstand in Libyen hinzubekommen, was ja schwierig genug erscheint.

Die Türkei unterstützt in dem Konflikt die von Haftar bedrängte Regierung in Tripolis. Am Donnerstag versicherte Erdoğan erneut, Ankara werde Truppen nach Tripolis schicken. Der Türkei geht es im ölreichen Libyen um politische Mitsprache, aber eben auch um einen Anteil an den Rohstoffressourcen im Mittelmeer.

Eigentlich hält Athen das entsprechende Meeresabkommen der Türkei mit Libyen für "null und nichtig", aber Erdoğan ist offenbar dabei, Fakten zu schaffen: Er kündigte an, die Türkei werde in dem fraglichen Seegebiet südlich der griechischen Insel Kreta noch in diesem Jahr mit der Rohstoffsuche beginnen. Daraufhin entgegnete Mitsotakis, er würde "alles Nötige" tun, um das zu verhindern, fügte aber hinzu, dass es erstmal nicht um militärische, sondern um diplomatische Maßnahmen gehe: Kommunikationskanäle mit der Türkei sollten offengehalten werden.

Das Seegebiet südlich von Kreta wird von Griechenland als seine "exklusive Wirtschaftszone" betrachtet. Die Türkei ist dagegen der Auffassung, dass auch große Inseln wie Kreta keinen eigenen Festlandssockel haben und Athen deshalb keine ausschließlichen Rechte in dem Gebiet. Einen ähnlichen Streit gibt es bereits in den Gewässern um Zypern. Die EU hat die Türkei wegen des Seerechtsabkommens mit Libyen bereits entschieden kritisiert.

Eine militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden Nato-Partnern Griechenland und Türkei wurde zuletzt 1996 gerade noch vermieden. Damals ging es um eine kleine Insel, die beide Länder für sich reklamierten.

Griechenland könnte demnächst noch tiefer in das nahöstliche Kampffeld geraten. Athen ist offenbar bereit, Patriot-Abwehrraketen an Saudi-Arabien zu liefern, und zwar auf amerikanischen Druck. Dies berichtete jetzt die konservative griechische Zeitung Kathimerini. Die Raketen sollen die saudischen Ölfelder schützen. Im September waren Ölanlagen der staatlichen saudischen Gesellschaft Aramco mit Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen worden. Die USA haben Iran der Täterschaft beschuldigt. Saudi-Arabien steht im Libyen-Konflikt auch auf der Seite Haftars.

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