Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Abhörskandal weitet sich aus

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Neue Enthüllungen zeigen, dass die Spionage-Angriffe des Geheimdienstes auf griechische Politiker, Geschäftsleute und Journalisten viel weiter reichten als bislang bekannt. Für Premier Mitsotakis könnte es nun eng werden.

Von Tobias Zick

Den Beinamen "Griechenlands Watergate" hatte die Affäre schon bekommen, bevor die jüngsten Enthüllungen an die Öffentlichkeit kamen und der Sache noch eine völlig neue Dimension verliehen. Schon seit Anfang August ist bekannt, dass der Oppositionspolitiker Nikos Androulakis, Vorsitzender der sozialdemokratischen Pasok, vom griechischen Geheimdienst EYP abgehört worden war. Unter anderem hatte es Versuche gegeben, sein Telefon mit "Predator" zu infizieren, einer Spionagesoftware. Ein weiteres Abhör-Opfer, der Journalist Thanasis Koukakis, war bereits dagegen vor Gericht gezogen.

Seither köchelt es in Athen, die oppositionelle linke Syriza attackiert regelmäßig die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) und fordert Premier Kyriakos Mitsotakis zum Rücktritt auf. Dem ist es bislang gelungen, die Affäre weitgehend auszusitzen. Doch jetzt wird es auch innerhalb seiner eigenen Partei zunehmend ungemütlich für ihn: Am Wochenende hat die Zeitung Documento eine Liste von insgesamt 33 Personen veröffentlicht, die demnach das Ziel von Predator-Angriffen gewesen sein sollen. Quelle für die Berichterstattung, so das Wochenblatt, seien zwei Personen, die bei der Überwachung "eine wichtige Rolle spielten".

Unter den Belauschten sollen mehrere Mitglieder des Kabinetts sein

Unter den Betroffenen sind demnach bekannte Geschäftsleute, Journalisten, der ehemalige Premierminister und ND-Vorsitzende Andonis Samaras - und mehrere Mitglieder des aktuellen Kabinetts, darunter auch Außenminister Nikos Dendias. Dem Documento-Bericht zufolge soll es sich bei den ND-Mitgliedern auf der Liste allesamt um parteiinterne Rivalen von Mitsotakis handeln.

Regierungssprecherin Arestotelia Peloni wies die Vorwürfe als "lächerlich" zurück; es sei eine "groteske Lüge, dass der Premierminister Mitglieder seines Kabinetts hätte bespitzeln lassen, ebenso andere Personen einschließlich Ehefrauen der Minister". Griechische Behörden hätten niemals Schadprogramme gekauft oder eingesetzt, zudem werde Griechenland in Kürze als erstes europäisches Land den Handel mit Schadsoftware komplett verbieten. Die Vorwürfe vom Wochenende würden bereits von der griechischen Justiz untersucht, der Herausgeber von Documento sei an diesem Montag vernommen worden.

"Natürlich hätte ich das nie genehmigt", beteuerte der Regierungschef

Nachdem im August die Predator-Attacke auf Pasok-Chef Androulakis bekannt geworden war, hatte der Premier erklärt, er habe nichts davon gewusst, "und natürlich hätte ich das nie genehmigt". Die linke Opposition zog die Darstellung in Zweifel und verwies darauf, dass Mitsotakis nach seinem Antritt 2019 den Geheimdienst direkt der Kontrolle seines Amtes unterstellt hatte. Auch die EU-Kommission schaltete sich in die Vorgänge ein. Eine Sprecherin erklärte seinerzeit, alle Mitgliedstaaten müssten "ihre Sicherheitsdienste kontrollieren und sicherstellen, dass sie die Grundrechte vollumfänglich respektieren".

Kurz vor der Enthüllung vom Wochenende war eine Delegation des Europäischen Parlaments in Griechenland, um den Vorwürfen des Einsatzes von Spionagesoftware nachzugehen - insbesondere der Frage, wer ihn angeordnet hat. Eines ihrer Mitglieder, die niederländische Europaabgeordnete Sophie in 't Veld, sagte am Freitag bei einer Pressekonferenz in Athen, die vorliegenden Informationen seien noch lückenhaft, aber "alles deutet in die Richtung von Leuten innerhalb von Regierungskreisen".

Wie gefährlich die Abhöraffäre für Mitsotakis wirklich wird, das hängt auch davon ab, wie sich griechische Medien positionieren. Bislang haben sich die meisten großen Zeitungen bei dem Thema eher passiv verhalten. Am Montag aber schrieb die Tageszeitung Ta Nea in einem Kommentar auf ihrer Titelseite, selbst wenn der Premier nichts von den Predator-Angriffen gewusst haben sollte, "sind die Auswirkungen für ihn und seine Regierung ernst". Eigentümer von Ta Nea ist der Reeder Evangelos Marinakis. Er ist eine der 33 Personen, die laut den Enthüllungen vom Wochenende im Fokus der Abhöraktionen standen.

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