Süddeutsche Zeitung

Grenzmauer:USA und Mexiko: Eskalation im Eiltempo

Lesezeit: 3 min

Von Beate Wild, New Orleans

Im Streit um den Bau einer Mauer an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verhärten sich die Fronten. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto und sein US-amerikanischer Amtskollege Donald Trump lieferten sich am Donnerstag einen öffentlichen Schlagabtausch.

Das führte dazu, dass sich die beiden erst einmal nicht wie geplant treffen und das Weiße Haus dem südlichen Nachbarn mit einer 20 Prozent hohen Importsteuer auf mexikanische Waren drohte. Dieser Konflikt dürfte der ohnehin fragilen Freundschaft der beiden Staaten einen empfindlichen Riss verpasst haben.

Weiterhin geht es um den Bau einer neuen Grenzmauer, ein zentrales Wahlkampfversprechen Trumps - und die Ankündigung, dass das Nachbarland für das auf zwischen acht und 20 Milliarden Dollar geschätzte US-Bauwerk bezahlen soll. Wie genau, das blieb im Wahlkampf immer unklar, sorgte aber in Mexiko für Verstimmung: Der ehemalige Präsident Vicente Fox trollt Trump seit Monaten per Twitter mit oftmals derber Wortwahl und dem Hashtag #FuckingWall. "TRUMP, wann wirst du verstehen, dass ich nicht für diese 'fucking' Mauer bezahle. Sei ehrlich zu den US-Steuerzahlern. Sie werden dafür zahlen", ist ein typisches Beispiel für einen Fox-Tweet.

Der amtierende Präsident Peña Nieto hatte diese Position diplomatischer formuliert und zeigte sich um ein gutes Verhältnis zum Nachbarn bemüht. Dass er Trump sogar im Wahlkampf empfing, nehmen dem unbeliebten Präsidenten viele Mexikaner noch heute übel. Schwach und unterwürfig sei dies gewesen, so die einhellige Meinung.

Nachdem Trump am Mittwoch dann eine "Executive Order" für den Mauerbau unterzeichnet hatte, ging alles Schlag auf Schlag. Peña Nieto veröffentlichte eine Video-Botschaft, in der er abermals betonte, dass Mexiko ganz sicher nicht für die Mauer zahlen werde. Am Donnerstagmorgen legte Trump ihm per Twitter die Absage eines bilateralen Treffens nahe, das für kommende Woche geplant war. "Wenn Mexiko unwillig ist, für die dringend benötigte Mauer zu bezahlen, dann ist es wohl besser, das anstehende Meeting abzusagen", schrieb Trump.

Mexiko fordert Rückgrat von Peña Nieto

Peña Nieto informierte daraufhin das Weiße Haus, dass er tatsächlich nicht mit Trump zusammentreffen werde. Der mexikanische Präsident hatte letztendlich auch keine andere Wahl: Zu Hause hat er wenig politischen Handlungsspielraum, aus allen politischen Lagern war er deutlich dazu aufgefordert worden, Rückgrat zu zeigen und den Besuch platzen zu lassen. Trumps Verhalten sei ein Schlag ins Gesicht, so die einhellige Meinung südlich des Rio Grande.

Die Reaktion aus Washington folgte prompt und ließ - wie so oft in den vergangenen Tagen - Interpretationsspielraum. Sean Spicer, der Sprecher des Weißen Hauses, brachte zunächst eine mögliche Importsteuer von 20 Prozent auf mexikanische Güter ins Spiel.

Später ruderte er zurück und sagte, die Steuer sei noch nicht beschlossene Sache, die Zahl könnte niedriger liegen und ohnehin sei das nur eine von vielen Optionen, den Mauerbau zu finanzieren. Auch Stabschef Reince Priebus sprach von einer Variante unter vielen. Alleine kann Trump ohnehin nichts entscheiden, er braucht die Zustimmung aus dem Kongress. Paul Ryan, Ober-Republikaner im Repräsentantenhaus, setzt sich schon lange für eine "Grenzausgleich"-Steuer ("border adjustment tax") ein, einem komplexen Umverteilungsmechanismus für Unternehmen. Die hatte Trump vor einigen Tagen noch als "kompliziert" abgelehnt. Allerdings hatte er ja am Mittwoch noch versprochen, dass Mexiko für die Mauer bezahlen werde.

Preissteigerungen sind möglich

Die Aufregung auf beiden Seiten der Grenze ist jetzt natürlich groß. Während sich Peña Nieto bislang in Schweigen hüllt, twitterte Fox: "Trump, bitte sei nicht störrisch. Auch wenn du 20 Prozent Steuern verlangst, wird doch das amerikanische Volk für die 'fucking' Mauer bezahlen. Du weißt genau, dass Mexiko dann die gleichen Steuern für US-Exporte kassiert."

Dass am Ende doch die amerikanischen Bürger die Dummen sind, damit könnte Fox sogar recht haben. Eine Grenz-/Importsteuer würde die Preise für importierte Waren erhöhen und am Ende also doch wieder an die amerikanischen Verbraucher weitergegeben werden.

Dieser Meinung war auch der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina. Der 61-Jährige, dessen Familie einst eine Bar gehörte, twitterte: "Vereinfacht gesagt, jeder politische Vorschlag, der die Kosten für Corona, Tequila oder Margaritas in die Höhe treibt, ist eine irrsinnig schlechte Idee." Den Tweet beendete er mit den Worten "Mucho Sad", eine Anspielung auf einer der Lieblingsworte Trumps, der "sad" gerne gebraucht, um sein Missfallen auszudrücken.

Die Ereignisse vom Donnerstag haben bereits eines bewirkt: Die über Jahrzehnte stabile Beziehung zwischen den beiden Ländern, auch durch das umstrittene Handelsabkommens Nafta symbolisiert, scheinen plötzlich empfindlich gestört. Genaro Lozano, Politik-Professor an der Iberoamerikanischen Universität in Mexiko-Stadt, schreibt auf Twitter: "Mit der angekündigten Steuer durch Trump stirbt Nafta. Peña Nieto muss den MEXIT sofort anordnen oder die USA wegen Verstoßes gegen das Handelsabkommen verklagen."

So weit ist es noch nicht, doch die Eskalation der Lage innerhalb von etwas mehr als 24 Stunden ist erstaunlich. Dass die mexikanische Ausgabe der Zeitschrift Vanity Fair eine mit Juwelen behängte Melania Trump auf den Titel der Februar-Ausgabe gehoben hat, wird sicher nicht zur Beruhigung der Gemüter beitragen.

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