Süddeutsche Zeitung

Gipfel in Helsinki:Trumps dreifacher Verrat

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Der US-Präsident hat bei seinem Treffen mit Putin Amerikas Demokratie, die Sicherheitskräfte des Landes und den Westen gedemütigt. Das ist bitter. Noch bitterer ist nur das Schweigen in Washington.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

In der amerikanischen Verfassung gibt es die sogenannte Treason Clause. Artikel III, Absatz 3. Darin ist festgelegt, welche Taten als Verrat an den Vereinigten Staaten gelten. Die Hürden für die Feststellung der Schuld und eine Verurteilung sind hoch. Ein Verräter ist demnach ein Amerikaner, der Krieg gegen sein eigenes Land führt; oder der den Feinden hilft, indem er ihnen "mit Rat und Tat" zur Seite steht. Das müssen zwei Zeugen öffentlich vor Gericht bestätigen. Die Strafe ist drastisch: Ein überführter Verräter, so steht es in einem Bundesgesetz, "shall suffer death".

Rein rechtlich gesehen, erfüllt das, was Donald Trump am Montag in Helsinki getan hat, diese bewusst enge Definition von Verrat nicht. Der US-Präsident hat im Beisein seines russischen Kollegen Wladimir Putin allerlei bizarren, peinlichen und auch gefährlichen Blödsinn erzählt. Doch Amerika führt keinen Krieg gegen die Russische Föderation. Russland ist zwar ein strategischer Widersacher der USA, aber es ist kein militärischer Feind, dem Trump einen Vorteil auf dem Schlachtfeld verschafft hätte.

Doch das sind juristische Haarspaltereien. Politisch gesehen, war Trumps desaströser Auftritt in Helsinki genau das: Verrat. Und das gleich dreifach.

Daran ändert auch sein halbherziges Zurückgerudere am Dienstag nichts, zu dem er mit brachialem Druck gezwungen werden musste.

Trumps Angriff auf Amerikas Geheimdienste ist beispiellos

Trump hat, erstens, all jene verraten, die sich jeden Tag bemühen, Amerika vor gegnerischen Attacken zu schützen. Die CIA, das FBI und all die anderen Sicherheitsbehörden sind bestimmt keine Heiligen, sie haben jede Menge Dreck am Stecken. Niemand muss ihnen blind vertrauen. Doch dass der US-Präsident sich hinstellt und alle Beweise wegwischt, die diese Behörden gesammelt haben und die belegen, dass Russland während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 eine umfassende Sabotage- und Manipulationskampagne in den USA organisiert hat, das ist beispiellos. Dass er der Welt erzählt, er glaube dem früheren KGB-Mann Putin mehr als seinen eigenen Mitarbeitern, ist ein spektakulärer Vertrauensbruch, ein Verrat an Amerikas Sicherheit.

Trump hat, zweitens, Amerikas Demokratie verraten. Putins Dienste haben während des Wahlkampfes übers Internet Hass, Misstrauen und Angst in den USA geschürt. Das Ziel war, die Menschen zu verunsichern und zu radikalisieren. Zudem haben sie die Server von Organisationen der US-Demokraten gehackt. Die dabei gestohlenen Daten wurden veröffentlicht, um der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton zu schaden. Putin wollte, dass Trump die Wahl gewinnt, das hat er zugegeben.

Also hat er nachhelfen lassen. Diese Einmischung in die Wahl war ein feindseliger Akt Russlands gegen die amerikanische Demokratie, völlig unabhängig davon, ob oder wie erfolgreich die Russen waren. Doch Trump ist unfähig, das zu sehen und zu sagen. Das liegt zum einen daran, dass ihm die Integrität der amerikanischen Demokratie völlig egal ist; zum anderen daran, dass natürlich Zweifel an der Legitimität seines Wahlsiegs aufkämen, würde er zugeben, dass Moskauer Trolle und Agenten ihm geholfen haben.

Trump fürchtet die Ermittlungen von Robert Mueller

Trump ist wütend, weil seine Gegner ihm vorwerfen, von der russischen Sabotage gewusst zu haben oder sogar daran beteiligt gewesen zu sein. Er hasst diese angebliche "Hexenjagd" und fürchtet die Ermittlungen von Robert Mueller. Doch darum geht es überhaupt nicht. Russlands (bewiesene) Attacken auf die Wahl in Amerika und Trumps (bisher unbewiesene) Kollusion sind zwei verschiedene Dinge. Der Egomane Trump aber kann das nicht trennen, weil sich für ihn alles immer nur um Trump dreht. Um die Amerikaner von seiner eigenen Unschuld zu überzeugen, sprach er deswegen in Helsinki auch gleich Putin von aller Schuld frei.

Drittens hat Trump den Westen verraten. Wieder einmal, muss man wohl sagen. Das Treffen mit Putin stand am Ende einer Europareise, bei der der amerikanische Präsident - angeblich ja ein Verbündeter - zuerst die Nato mit einer Austrittsdrohung an den Rand des Zusammenbruchs brachte und dann die britische Premierministerin demütigte. In Helsinki ließ er die ohnehin schockierten Alliierten dann wissen, dass er mit dem so vertrauenswürdigen Freund in Moskau noch Großes und Großartiges vorhabe. Wenn also das nächste Mal irgendwo in Europa bewaffnete Männer in Grün auftauchen, Zivilflugzeuge aus dem Himmel geschossen oder Wahlen durch Lügen- und Hetzkampagnen manipuliert werden, sollte man sich von Trump keine Hilfe erwarten. Er wird dann Putin fragen, und der wird sagen, dass der frische weiße Schnee, den jeder sieht, in Wahrheit schwarz ist. Und Trump wird es glauben.

Das alles ist tragisch und bitter. Aber es ist das, was man von Donald Trump erwartet. Noch bitterer ist das feige Wegducken all der Leute in Washington, die wissen, was der Präsident anrichtet, und die aus Angst oder Opportunismus wegschauen und weiter mit oder für ihn arbeiten. Sie sind die Komplizen eines Verräters.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2018
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