Süddeutsche Zeitung

Gewalt gegen Blogger:Barbarei in Bangladesch

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Schon wieder ist in Dhaka ein kritischer Blogger getötet worden. Der Einfluss der islamischen Fundamentalisten wird immer größer, die Angst in der Bevölkerung wächst.

Von Arne Perras, Singapur

Der Tatort liegt im fünften Stock, die Täter tarnten sich als mögliche Mieter, sie kamen in zwei Gruppen und so hatte der junge Blogger Niloy Neel in Dhaka keine Chance mehr, der Falle zu entkommen. Seine Mörder massakrierten ihn mit Macheten. Auf ähnlich barbarische Weise sind seit Jahresbeginn bereits vier säkulare Blogger in Bangladesch getötet worden.

Wer sich in diesem südasiatischen Staat gegen den radikalen Islamismus stemmt, riskiert Tag für Tag sein Leben. Nach Angaben eines Bloggernetzwerkes stand Niloy auf einer Todesliste religiöser Fanatiker. Über die Täter vom Freitag wurde zunächst nichts Näheres bekannt. Zu den früheren Attacken hatte sich die extremistische Gruppe Ansar Bangla sowie der indische Zweig der Terror-Organisation al-Qaida bekannt. Nach deren Morden ließen die Behörden die Islamistengruppe Ansar Bangla verbieten.

Die Angst nimmt zu

Auch wenn die Gewalt gegen säkulare Intellektuelle in Bangladesch kein neues Phänomen ist, so wächst durch die Häufung der Fälle doch die Angst. Und viele sind schockiert über die Brutalität, mit der die Taten am helllichten Tag ausgeführt werden. Schriftsteller, Ingenieure, Professoren, Blogger - viele fühlen sich angesichts der Attacken zunehmend schutzlos.

Imran Sarkar ist ein Sprecher der lokalen Bloggergemeinde und sagte kurz nach der Tat über den Kollegen Niloy: "Er war die Stimme gegen den Fundamentalismus und Extremismus." Der Getötete setzte sich auch für die Rechte von Frauen und Minderheiten ein.

Bekannte Schreiber aus Bangladesch suchen zunehmend Zuflucht im Westen, einer lebt derzeit auch in Deutschland. Ananya Azad ist Gast bei der "Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte", andere Kollegen haben sich nach Indien oder in die USA abgesetzt, weil sie sich in ihrer Heimat nicht mehr sicher fühlen.

Im Staat Bangladesch gehört die große Mehrheit der 160 Millionen Bewohner dem Islam an. Radikale Strömungen sind zwar nicht vorherrschend, gewinnen jedoch zunehmend an Einfluss, und so ziehen säkulare Ideen und deren Vertreter den Zorn von Fundamentalisten auf sich. Die breite Nutzung sozialer Medien und des Internets macht kontroverse Meinungen inzwischen breiter sichtbar als früher; dies gilt als einer der Faktoren, der es den Extremisten erleichtert, ihre Ziele zu finden.

Die Wurzeln für den Hass liegen über vierzig Jahre zurück

Genährt wird der Hass in Bangladesch auch durch die Auseinandersetzungen über die umstrittene Aufarbeitung mutmaßlicher Verbrechen während des Krieges im Jahr 1971, als sich Ostpakistan von Westpakistan löste und die Unabhängigkeit erstritt. Islamistische Parteien protestieren gegen verhängte Todesstrafen und Hinrichtungen zahlreicher Führer, die damals für Pakistan und gegen die Loslösung kämpften.

Premierministerin Sheikh Hasinas Versprechen, gegen islamistische Hardliner vorzugehen, weckt in den Augen mancher aber auch den Verdacht, dieses Ziel als Vorwand zu nutzen, um andere Kritiker zu bekämpfen und ihre Macht auf undemokratische Weise zu festigen. Wieder andere beklagen, dass der Staat die Gewalt gegen Blogger nicht ernst genug nimmt. Sie fürchten, dass ihr Land sich bald in ein neues Afghanistan verwandeln könnte, wenn die Gewalt nicht bald eingedämmt wird.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2015
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