Süddeutsche Zeitung

Gerichtsurteil:Türkische Regierung wittert Verschwörung von CIA und FBI

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Von Christiane Schlötzer

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan stand in den USA nicht selbst vor Gericht, aber ein Schuldspruch aus New York belastet ihn nun auch persönlich. Ein Gericht in Manhattan hat den früheren Vize-Chef der staatlichen türkischen Halkbank, Mehmet Hakan Atilla, wegen Beihilfe zur Umgehung amerikanischer Iran-Sanktionen und wegen Bankbetrugs schuldig gesprochen. Atilla, 47, ist schon seit März 2017 in einem US-Gefängnis, ihm droht nun jahrelange Haft. Das Strafmaß soll erst im April verkündet werden.

Vor Gericht hatte der Hauptzeuge ausgesagt, Erdoğan habe 2012, damals noch als Premierminister, den illegalen Milliarden-Deal gebilligt. Dabei seien auch Millionen an Bestechungsgeld an türkische Politiker und Banker geflossen.

Die türkische Regierung reagierte am Donnerstag empört auf den Schuldspruch. Vizeregierungschef Bekir Bozdağ sprach von einer beispiellosen Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, die Beziehungen der Türkei zu den USA seien ernsthaft beschädigt. Das Verhältnis der beiden Nato-Staaten war zuletzt ohnehin schon schlecht, mit einer baldigen Besserung ist nun kaum zu rechnen. Bozdağ sieht die Türkei als Opfer einer Verschwörung von CIA und FBI; in einem Tweet unterstellte er den US-Behörden, mit dem Prediger Fethullah Gülen gemeinsame Sache zu machen. Der türkische Prediger Gülen lebt bereits seit 1999 in den USA, Erdoğan beschuldigt ihn, Drahtzieher des Putschversuchs von 2016 gewesen zu sein.

Gold in Koffern transportiert und Bargeld in Schuhkartons versteckt

Das Urteil gegen Atilla hat in der Türkei überrascht, nachdem die regierungsnahen Medien einen Freispruch vorhergesagt hatten. Erdoğan hatte den Journalisten kurz vor dem Jahreswechsel auf dem Rückflug von einem Afrika-Besuch persönlich in die Blöcke diktiert: "Ich bin der Meinung, dass sie verstanden haben, dass Atilla nicht schuldig ist."

In Ankara hatte man auch nicht damit gerechnet, dass der türkisch-iranische Goldhändler Reza Zarrab, die Schlüsselfigur in dem Prozess, aussagen würde. Zarrab, 34, hatte sich kurz vor Verhandlungsbeginn entschieden, die Seiten zu wechseln, sich schuldig bekannt und sieben Tage lang ausgesagt. Er schilderte, wie mit vorgetäuschten Lieferungen von Medizin und Lebensmitteln die von den USA gegen Iran verhängten Sanktionen umschifft wurden. Iran konnte damit weiter Öl und Gas exportieren. Es wurde dafür Gold in Koffern transportiert und Bargeld in Schuhkartons versteckt.

Ende 2013 hatten türkische Staatsanwälte das komplizierte Trickschema bereits aufgedeckt, einige Politiker in Ankara verloren daraufhin ihr Amt. Doch dann wurden die Staatsanwälte ausgetauscht und die Ermittlungen gestoppt. Auch der türkischen Justiz wurde damals von Erdoğan unterstellt, sie habe allein auf Anweisung des Predigers Gülen gehandelt, die Vorwürfe seien Teil einer Verschwörung gegen die Türkei.

Atillas Anwälte haben sofort Berufung angekündigt, er selbst bestritt alle Verfehlungen. Der New Yorker Staatsanwalt Joon Kim sagte, das "massive und dreiste System riss ein Milliarden-Dollar-Loch in die Sanktionsregelung gegen Iran".

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SZ vom 05.01.2018
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