Süddeutsche Zeitung

Freigelassene Pussy-Riot-Musikerin Aljochina:"Ich habe keine Angst vor gar nichts mehr"

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Wieder in Freiheit: Nach fast zwei Jahren in russischen Gefängnissen zeigt sich Pussy-Riot-Mitglied Maria Aljochina ungebrochen. Sie kritisiert die Amnestie durch Präsident Putin und das Verhalten der Behörden. Jetzt soll die 25-Jährige unterwegs ins sibirische Krasnojarsk sein - dort will sie ihre ebenfalls heute entlassene Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa treffen.

Kremlkritiker kommen frei: In Russland geht es derzeit Schlag auf Schlag. Nach der Freilassung des ehemaligen Ölmagnaten Michail Chodorkowskij sind jetzt zwei weitere prominente Gegnerinnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin per Gnadenakt aus der Haft entlassen worden: die Pussy-Riot-Musikerinnen Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa.

  • Haftentlassung von zweiter Pussy-Riot-Musikerin: Auch die zweite inhaftierte Pussy-Riot-Musikerin, Nadeschda Tolokonnikowa, ist frei. Sie verließ ein Haftkrankenhaus im sibirischen Krasnojarsk - etwa 4000 Kilometer von Moskau entfernt. "Russland ohne Putin", rief sie Medienberichten zufolge nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis im sibirischen Krasnojarsk. Der russische Fernsehsender Doschd zitiert Tolokonnikowa mit den Worten: "Die Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit ist in Russland sehr dünn." Und: "Russland ist nach dem Prinzip einer Strafkolonie aufgebaut. Und diese Kolonie müssen wir unbedingt ändern." Sie forderte ausländische Staaten zum Boykott der Olympischen Spiele in Sotschi auf. Eine Künstlergruppe, der Tolokonnikowa und ihr Ehemann angehören, twitterte dieses Foto nach der Entlassung:
  • Maria Aljochina kommt frei: Bereits am Morgen war Maria Aljochina freigekommen. Noch in Gefängniskleidung soll sie mit einem Auto bis zum Bahnhof der Stadt Nischni Nowgorod, etwa 400 Kilometer östlich von Moskau, gefahren und dort abgesetzt worden sein, wie der Guardian schreibt. In ersten Interviews kritisierte Aljochina den Gnadenakt der russischen Regierung: "Diese Amnestie ist kein humanitärer Akt, sie ist ein PR-Schachzug", sagte sie dem russischen Fernsehsender Doschd in einem Telefoninterview. An der Situation vieler anderer Mütter, die inhaftiert seien, ändere sich dadurch nichts. Zudem bekräftigte sie ihre kritische Einstellung gegenüber Putin: "Meine Einstellung zum Präsidenten hat sich nicht geändert." In einem Interview mit dem Guardian beschwert sie sich über Schikanen seitens der Behörden. Sie habe am Morgen nicht einmal ihre Sachen packen und sich von den Mitgefangenen verabschieden dürfen. In einem von der britischen Zeitung veröffentlichten Video sagt sie, dass sie sich mit Menschenrechtlern treffen wolle. "Ich habe keine Angst vor gar nichts mehr." Der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge fliegt Aljochina nun nach Krasnojarsk, um ihre Bandkollegin Tolokonnikowa zu treffen. Beide Musikerinnen kündigten an, sich künftig im Kampf für Menschenrechte engagieren zu wollen.
  • Massenamnestie der Staatsduma: Das russische Parlament hatte in der vergangenen Woche eine Massenamnestie beschlossen. Präsident Putin hatte bestätigt, dass darunter auch die zwei Musikerinnen von Pussy Riot fallen würden. Aljochina und Tolokonnikowa waren im vergangenen Jahr wegen Rowdytums zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden, nachdem sie - zusammen mit der bereits im Oktober 2012 auf Bewährung entlassenen Jekaterina Samuzewitsch - in der Christ-Erlöser-Kathedrale ein "Punk-Gebet" gegen den später erneut zum Präsidenten gewählten Putin gesungen hatten. Die Strafe wäre im März verbüßt gewesen. Der Strafvollzug hätte allerdings sechs Monate Zeit gehabt, die Amnestie umzusetzen.
  • Putin-Gegner Chodorkowskij in Berlin: Parallel zur Massenamnestie des Parlaments hatte Putin Ende vergangener Woche völlig überraschend den berühmtesten Gefangenen Russlands begnadigt: den früheren Öl-Unternehmer Michail Chodorkowskij. An seiner Freilassung war der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) maßgeblich beteiligt. Genscher sagte, Putin habe keinerlei Bedingungen für die Freilassung gestellt. Chodorkowskij reiste umgehend nach Berlin. Auf einer Pressekonferenz erläuterte er dort seine weiteren Ziele: Demnach will der einst reichste Mann Russlands künftig Häftlingen in Russland helfen - von außerhalb des Landes. Chodorkowskij saß mehr als zehn Jahren in russischer Haft. Er war unter anderem wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Kritiker sprechen jedoch von politisch motivierten Prozessen.

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