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Frankreich:Macrons Regierung muss schon ins Risiko gehen

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Um den Haushalt ohne absolute Mehrheit im Parlament durchzusetzen, nutzt Premierministerin Borne einen umstrittenen Paragrafen. Frankreichs Regierung steckt in Schwierigkeiten.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Es war weniger die Frage ob, sondern eher wann die französische Regierung den umstrittenen Paragrafen 49-3 zum ersten Mal ziehen würde. Schon seit Wochen waberte er immer wieder durch die politischen Debatten. Nun hat Premierministerin Élisabeth Borne den Verfassungsartikel angewendet, um den Haushalt für das Jahr 2023 auch ohne Mehrheit im Parlament durchzusetzen.

"Es ist unsere Verantwortung, diesem Land einen Haushalt zu geben", sagte Borne am Mittwoch in der Nationalversammlung. Sie gehört der Partei Renaissance von Präsident Emmanuel Macron an und wurde von diesem eingesetzt. Dieser Haushalt, so Borne, müsse einlösen, was die Regierung versprochen habe: keine Steuererhöhungen, keine Erhöhung der Staatsschulden. Fast zwei Wochen lang hatte zuvor das Parlament über den Haushaltsentwurf der Regierung diskutiert - ohne dass sich eine Mehrheit dafür abzeichnete.

Vermutlich kommt es auf die konservativen Republikaner an

Der Artikel 49-3 ist nicht ohne Risiko: Er ermöglicht es der Regierung, ein Gesetz ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zu verabschieden. Dafür hat diese umgekehrt die Möglichkeit, die Regierung mit einer absoluten Mehrheit zu stürzen. Macron müsste sich dann eine neue suchen.

Am Mittwochabend dauerte es nicht lange, bis die Oppositionsparteien reagierten. Bereits wenige Minuten nach Bornes Rede kündigte das Linksbündnis Nupes einen ersten Misstrauensantrag an, den sie noch am selben Abend einreichte. Der Rassemblement National (RN) kündigte seinen Misstrauensantrag für Donnerstag an. Dass die Regierung tatsächlich gestürzt wird, gilt als höchst unwahrscheinlich. Dafür müssten nicht nur die extrem linke Nupes und der rechtsradikale RN für denselben Misstrauensantrag stimmen, sondern auch die konservativen Republikaner.

Die Oppositionsparteien in Frankreich kritisieren den Artikel 49-3 traditionell als undemokratisch. "Der Macronismus ist ein Autoritarismus geworden", sagte die Fraktionsvorsitzende der France Insoumise, Mathilde Panot, bevor sie den Misstrauensantrag der Linken einreichte. "Es hat eine Debatte gegeben", verteidigte Finanzminister Bruno Le Maire das Vorgehen der Regierung gegenüber dem Fernsehsender BFM.

Die Machtdemonstration zeigt vor allem eines: Wie schwach Macrons Regierung eigentlich ist. Seit den Parlamentswahlen im Frühjahr verfügt sie nur noch über eine relative Mehrheit in der Nationalversammlung und ist für jedes Gesetz auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Auch wenn der umstrittene Artikel 49-3 in der Fünften Republik schon etliche Male benutzt worden ist: Dass eine Regierung darauf zurückgreifen musste, um einen Haushalt zu verabschieden, war das bislang letzte Mal vor fast 30 Jahren der Fall gewesen.

Premierministerin Borne dürfte den Paragrafen noch öfter nutzen müssen. Spätestens bei der umstrittenen Rentenreform, die Präsident Macron noch in diesem Winter auf den Weg bringen will, dürfte es wieder eng werden. Er möchte das Renteneintrittsalter von 60 auf 65 Jahre erhöhen, das linke Nupes-Bündnis und der RN haben bereits Widerstand angekündigt. Schon vor ein paar Wochen drohte Macron: Sollte ein Misstrauensvotum Erfolg haben und seine Regierung gestürzt werden, schließe er es nicht aus, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.

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