Süddeutsche Zeitung

Präsidentschaftswahl in Frankreich:Fillon kämpft gegen die eigenen Leute

Lesezeit: 3 min

Von Joseph Hanimann und Christian Wernicke, Paris

Kein schepperndes Kochgeschirr, bitte! Neben Spruchbändern und allfälligen Bomben hatte es der Sicherheitsdienst bei den Taschenkontrollen am Trocadéro vor allem auf Instrumente zum Lärmmachen abgesehen. Zu einem "stillen, aber bestimmten" Widerstand hatte François Fillon seine Anhänger für Sonntag aufgerufen.

"La Résistance" ist unter den Demonstranten auf dem "Platz der Menschenrechte" gegenüber dem Eiffelturm das häufigste Wort. Auch Fillon wird in seiner Rede "den Widerstand" beschwören. "La Résistance", das erinnert an Heldenmut gegen deutsche Besatzer. Fillon beschwört "den Stolz Frankreichs" - nun aber in eigener Sache. Denn nicht er, sondern "die Demokratie" und "die Erneuerung Frankreichs" seien das Ziel all jener, die seine Kandidatur stoppen wollten. Die Menge quittiert den Vergleich mit Sprechchören. "Wir werden gewinnen", hallt es über den Platz.

Fillon steht im Regen, der Wind peitscht ihm die Tropfen ins Gesicht. Er ruft Charles de Gaulle herbei, zitiert des Generals "Idee von Frankreich" und ruft: "Das seid ihr!" Später räumt er "Fehler" ein. Seine Frau als Mitarbeiterin einzustellen sei "bequem" gewesen: "Ich hätte das nicht tun sollen." Und dann habe er zu lange "gezögert, darüber zu sprechen". Manche seiner Anhänger protestieren, von Fehlern wollen sie nichts hören. Und sie jubeln, als Fillon ihnen erklärt, was der wahre Skandal sei: "Die schleichende, willenlose Art, wie François Hollande unser Land deklassiert hat." Seine Anhänger schwenken tausendfach die Trikolore, ein Fillon-Vertrauter will "200 000 Franzosen" im Regen vor dem Eiffelturm gesehen haben.

Die Polizei spricht von 35 000 bis 40 000 Menschen. Entschlossenheit um jeden Preis - das ist die Grundstimmung unter Fillons Getreuen. "Armes Frankreich", klingt die Klage unter einem roten Regenschutz hervor. Fillon, so meint die Rentnerin und überzeugte Anhängerin des Kandidaten, sei der einzige Politiker, der Frankreichs Schulden abtragen, Arbeitsplätze schaffen und Disziplin im Land wiederherstellen könne. Die meisten Besucher am Trocadéro sind ältere Franzosen. Sie verkörpern jenen festen "Sockel", von dem Fillon selber oft und gern spricht. Doch ist er breit genug?

Machtdemonstration gegen Parteien, Presse, Richter

Die Massenkundgebung war als Machtdemonstration gemeint: Das Volk gegen das "System", gegen die Parteien, die Institutionen, die Presse, die Richter. Bisher hatte nur Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National, solche Töne angeschlagen. Fillon, der Ex-Premier, hatte solche Proteste früher stets als "die Straße" abgetan. Inzwischen ruft der Konservative, der durch die Affäre um eine mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Frau ins Zwielicht geraten ist, mehrmals täglich "das französische Volk" oder "die Wähler der Rechten" zur Hilfe. Und er beteuert, er pfeife auf den Rückhalt der republikanischen Parteigranden. Das Volk soll seine Leibgarde sein - gegen den "politischen Mord", den die eigene Partei längst plant.

Anderswo in Paris berieten Fillons Partei-"Freunde" an diesem Sonntag nicht länger, ob man den Triumphator der republikanischen Kandidaten-Vorwahl stürzen wolle - sondern wie. Die Rechte hat Panik ergriffen, Umfragen signalisieren, dass Fillon die Wahl verlieren wird. "Ich werde unsere Anhänger nicht in den kollektiven Selbstmord laufen lassen", sprach Christian Estrosi, ein republikanischer Ex-Minister und Vertrauter von Nicolas Sarkozy, im Nachrichtensender BFMTV.

Ex-Präsident Sarkozy, noch immer ein Königsmacher in der Partei, und Alain Juppé, als Zweitplatzierter der "Primaire" vom November der wahrscheinlichste Ersatzkandidat, besprachen bereits Details des Putsches. "Wir suchen eine Lösung, die François Fillon nicht erniedrigt", erklärte Estrosi, derweil am Trocadéro blau-weiß-rote Fahnen im Wind wehten.

Seit Freitag zeichnete sich die Wende ab. Während mehr als hundert Parteiprominente in einem wahren Exodus Fillons Kampagne verließen, hatten zwei ehemals engste Fillon-Vertraute eine Art Pendeldiplomatie begonnen. Senatspräsident Gérard Larcher und Bernard Accoyer, der Generalsekretär der Partei, besuchten Sarkozy in seinem Büro, hielten Rücksprache mit Fillons Lager, telefonierten mit Juppé. Am Samstagnachmittag ließ die Partei wissen, am Montag werde das "Politische Komitee" der Republikaner beraten.

Fillon erfuhr davon, während er in einem halb leeren Saal am Pariser Stadtrand knapp tausend Anhänger zum "Durchhalten" aufrief. Es war sein 63. Geburtstag. Derweil gab Penelope Fillon, die Kandidatengattin, ihr erstes Interview seit Beginn des Skandals um ihre fragwürdige Entlohnung als "parlamentarische Assistentin". Alles sei "legal" gewesen. Sie stehe zu ihrem François, der gerade "eine Mutprobe" durchmache. Aber er sei "der Einzige", der Frankreich aus der Krise führen könne.

Das sahen die Fillon-Fans am Eiffelturm genauso. An ihrem Kandidaten schätzen sie neben dem recht radikalen Programm dessen etwas hölzernen Charme. Nein, Fillons Glaubwürdigkeit habe keinen Schaden genommen, beteuern sie. Was aber, wenn Fillon am Ende doch aufgeben muss? Die Antwort kommt wie die Kugel aus dem Rohr, fast immer dieselbe. "Dann wähle ich Marine Le Pen", giften sie.

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SZ vom 06.03.2017
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