Süddeutsche Zeitung

Italienisch-Französische Beziehungen:Schweres diplomatisches Geschütz

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Von Stefan Ulrich, München

Um die Dramatik dieses diplomatischen Zwischenfalls nachvollziehen zu können, muss man weit zurückblicken: Im Juni 1940, nach der Kriegserklärung Italiens an Frankreich, musste der französische Botschafter überstürzt seinen Sitz im Palazzo Farnese in Rom verlassen, um in die Heimat zurückzukehren. Italienische Zeitungen erinnern nun daran und schreiben, erstmals seit dieser trüben Stunde habe jetzt wieder ein Hausherr im Palazzo Farnese außerplanmäßig abreisen müssen. Diesmal war es die französische Regierung, die ihren Botschafter Christian Masset zu Gesprächen zurückbeordert hat. Aus dem Außenministerium am Quai d'Orsay in Paris heißt es dazu: "Es war wichtig, ein Signal zu senden."

Man könnte auch von einem Warnschuss sprechen. Der Rückruf eines Botschafters entstammt schwerem diplomatischen Geschütz. Er ist Zeichen heftiger Verärgerung und unter befreundeten Staaten, wie es Italien und Frankreich sein sollten, unüblich. Das zeigt, wie schnell sich die Beziehung beider Länder seit dem Amtsantritt der populistischen Regierung im Rom vergangenen Juni zerrüttet hat.

Seither setzt es mal von der einen, mal von der anderen Seite Vorwürfe, teils in rüder Sprache vorgebracht. Mal bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron Nationalpopulisten als "Pest", womit sich auch und besonders die Koalitionsparteien Lega und Cinque Stelle in Rom angesprochen fühlen durften. Mal schmähten die italienischen Vizepremiers Matteo Salvini und Luigi Di Maio den Franzosen Macron als schlechten Präsidenten. Zudem warfen sie Frankreich vor, seinen Reichtum der kolonialen Ausbeutung Afrikas zu schulden und daher für die Flüchtlingskrise mitverantwortlich zu sein.

Die jüngste Provokation der Italiener war dann wohl eine zu viel. Diese Woche reiste Vizepremier Di Maio nach Frankreich. Aber nicht für einen Regierungsbesuch, sondern um Vertreter der sogenannten Gelbwesten zu treffen, die seit Monaten auf den Straßen Frankreichs gegen die Regierung Macron anlaufen. Dabei sprach Di Maio unter anderem mit Christophe Chalençon, einem der Anführer der Gelbwesten, der das französische Militär zum Putsch gegen Präsident Macron aufgerufen hat. In Reaktion darauf holte die Regierung in Paris nun ihren Botschafter aus Rom zurück. Die französische Außenministerin begründete das im Sender Radio Classique mit den Worten: "Es ist noch niemals geschehen, dass ein Mitglied einer fremden Regierung nach Frankreich kam, um jemanden zu unterstützen, der zum Bürgerkrieg aufgerufen hat, zum Sturz des Präsidenten und zur Bildung einer Militärregierung." Die jüngsten Einmischungen Italiens seien inakzeptabel. "Sie verletzen den Respekt, den demokratisch und frei gewählte Regierungen einander schulden."

Zwischen der nationalpopulistischen Regierung in Rom und der progressiv-liberalen in Paris gibt es eine Reihe von Konflikten. Dabei geht es um den Umgang mit Flüchtlingen, die beiderseitigen Aktivitäten in Libyen, die Auslieferung von Terrorverdächtigen oder Firmenübernahmen. Dies alles erklärt aber nicht die Bitterkeit, mit der die beiden romanischen Schwesterländer übereinander herfallen.

Es kommt vielmehr ein weiteres Motiv hinzu: Die im Mai anstehenden Europawahlen. Macron steht auf der einen, Salvini und Di Maio auf der anderen Seite. Der Franzose sieht sich als Vorkämpfer des proeuropäischen, liberalen Lagers. Italiens Regierung steht für die europaskeptischen Rechtsnationalisten. Beide haben die Abstimmung zum schicksalhaften Kräftemessen erklärt. Die italienische und die französische Regierung führen Wahlkampf gegeneinander. Für Diplomatie ist da kein Platz.

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SZ vom 09.02.2019
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