Süddeutsche Zeitung

Fragwürdige Luftschläge:Russlands Syrien-Engagement beunruhigt die Nato

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Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Sie waren kurz vor ihrem Ziel, doch dann mussten zwei Kampfflugzeuge der US-Luftwaffe ihren Angriff in Syrien abbrechen. Die beiden F16 hätten ihre Route ändern müssen, um nicht zu nah an russische Flieger zu kommen. "Sie haben ihr vorgesehenes Ziel nicht angreifen können", sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Washington.

Das Pentagon bemühte sich, die Sache herunterzuspielen und sprach von einem Zwischenfall. Aber auch am Tag danach beschäftigte das amerikanische Ausweichmanöver die Gemüter. Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel ging es am Donnerstag um die Frage, wie das Bündnis auf die Lage in Syrien reagiert.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Moskau dazu auf, die Hilfe für das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu beenden: "Meine Sorge ist, dass die Russen ihre Angriffe nicht hauptsächlich gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat richten, sondern gegen andere Oppositionsgruppen, und dass sie damit das Regime stützen." Er appelliere daher an Russland, eine konstruktive Rolle im Kampf gegen den IS zu spielen.

Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte Moskau auf, die Angriffe auf den IS zu konzentrieren. "Wenn Russland diejenigen angreift, die den Islamischen Staat bekämpfen, dann stärkt das den Islamischen Staat", warnte sie. Der IS heize das Grauen in Syrien an und sei eine der Hauptursachen für den Strom der Flüchtlinge. Daher müsse er militärisch bekämpft werden. Auf lange Sicht brauche es aber eine politische Lösung.

Angesichts der jüngsten Verletzungen des türkischen Luftraums durch russische Kampfflugzeuge sagte Stoltenberg dem Bündnispartner breite Unterstützung zu. Bereits jetzt gebe es die nötigen Fähigkeiten und die Infrastruktur, um die schnelle Eingreiftruppe (NRF) in den Süden zu schicken, sagte der Generalsekretär. Die Nato sei bereit, die Türkei gegen Bedrohungen zu schützen - falls dies nötig sei.

Erdoğan warnt Russland vor der Kündigung der Gasliefer-Abkommen

Von der Leyen erklärte: "Es ist klar und unmissverständlich von der Nato gesagt worden, dass wir zu unserem Nato-Partner, der Türkei, stehen, und dass wir klare Vorstellungen auch davon haben, dass das Nato-Territorium geschützt wird." Was man angesichts des Ukraine-Konflikts im Baltikum tue, werde man auch in der Türkei tun.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan warnte die Regierung in Moskau unterdessen vor einer Aufkündigung der Gaslieferverträge. Die Türkei sei Russlands größter Abnehmer, zitierten türkische Zeitungen Erdoğan aus einem Gespräch während dessen Flug zu einem Staatsbesuch in Japan. Sollte sich das ändern, wäre dies ein erheblicher Verlust für Russland. "Falls nötig, kann die Türkei ihr Gas von vielen anderen Orten bekommen." Auch das geplante erste Atomkraftwerk im Land könnte von einem anderen Partner als Russland gebaut werden, warnte Erdoğan.

Am Rande des Nato-Treffens in Brüssel spielte auch die Frage eine Rolle, ob die Bundesregierung bei der Entscheidung bleibt, die deutschen Patriot-Flugabwehrraketen aus der Türkei abzuziehen. Sie sind nahe der türkisch-syrischen Grenze stationiert, um den Nato-Partner Türkei vor Raketenbeschuss aus dem benachbarten Syrien zu schützen, könnten aber auch gegen Flugzeuge eingesetzt werden. Vertreter der Türkei kritisierten den Entschluss Deutschlands und der USA, die Raketen in nächster Zeit abzuziehen. Verteidigungsministerin von der Leyen bekräftigte aber, dass es bei der Entscheidung bleibe.

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SZ vom 09.10.2015
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