Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Wende in der Flüchtlingspolitik rückt näher

Lesezeit: 2 min

Von Daniel Brössler und Roland Preuß, Brüssel/München

Die Bundesregierung hat den für den 7. März angesetzten EU-Sondergipfel zum unbedingten Wendepunkt in der Flüchtlingskrise erklärt. Bis zum Gipfel solle die Zahl der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze "drastisch und nachhaltig" verringert werden, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag nach einem Treffen mit seinen EU-Kollegen. Werde dieses Ziel verfehlt, müsse es "andere europäisch koordinierte Maßnahmen" geben. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos warnte: "Es bleiben nur noch zehn Tage." Ohne "greifbare und klare Ergebnisse" bestehe die Gefahr, "dass das ganze System vollständig zusammenbricht".

De Maizière deutete an, dass notfalls die Kontrolle der Binnengrenzen verstärkt werden müsse, warnte aber vor Alleingängen. "Wenn nationale Maßnahmen die Oberhand gewinnen, werden alle den Schaden nehmen", sagte er. Ein Ende haben müsse "die Politik des Durchwinkens" von Flüchtlingen. Diese laufe darauf hinaus, dass Probleme zu Lasten Deutschlands gelöst würden, kritisierte de Maizière. "Das ist inakzeptabel, und das werden wir auf Dauer nicht hinnehmen", sagte er.

Der Sondergipfel, zu dem auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu erwartet wird, geht auf eine Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. Kurz vor drei Landtagswahlen in Deutschland am 13. März legt sie Wert auf ein Signal der Handlungsfähigkeit der EU in der Flüchtlingskrise. Die Gespräche mit der Türkei seien so weit vorangeschritten, "dass es gelingen kann, bis zum 7. März Erfolge zu erzielen", sagte de Maizière.

Österreich nach Treffen mit Westbalkan-Staaten in Kritik

In der Kritik steht Österreich, das mit einem Balkan-Treffen eine Blockade der Flüchtlingsroute vorangetrieben hat. Die griechische Botschafterin in Wien wurde deshalb zu Konsultationen nach Athen beordert. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidigte das Treffen. Ziel sei ebenfalls "ein Ende des Durchwinkens" gewesen. Wenn Athen nicht zum Schutz der Außengrenze in der Lage sei, müssten andere das Heft des Handelns in die Hand nehmen. "Wenn das tatsächlich so ist, dass man die griechische Außengrenze nicht schützen kann, kann sie dann weiter Schengen-Außengrenze sein?", fragte sie.

Die Nato verständigte sich in der Nacht auf die Modalitäten eines Einsatzes gegen Schlepper in der Ägäis. Nato-Schiffe würden die Küstenwachen der Türkei und Griechenlands sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit Informationen über Schlepper-Aktivitäten unterstützen, kündigte Generalsekretär Jens Stoltenberg an.

In Deutschland musste das Bundesinnenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Linken einräumen, dass rund 13 Prozent der Menschen, die 2015 als Asylsuchende registriert wurden, nicht bei der zuständigen Aufnahmeeinrichtung angekommen sind. Insgesamt waren etwa 1,1 Millionen Flüchtlinge erstmals im sogenannten Easy-System erfasst worden. Somit geht es um mehr als 130 000 Menschen, die nicht in der Unterkunft auftauchten, die ihnen zugewiesen war. Eine der Ursachen sei wohl "Untertauchen in die Illegalität".

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SZ vom 26.02.2016
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