Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:"Die Städte stoßen zunehmend an ihre Grenzen"

Lesezeit: 2 min

Vor der Ministerpräsidentenkonferenz wird die Debatte über die Unterbringung von Geflüchteten hitziger. Der Städtetag ruft die Länder um Hilfe, die wollen mehr Geld - und beide gemeinsam erhöhen den Druck auf den Bund.

Von Markus Balser und Kassian Stroh, Berlin

Vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an diesem Donnerstag erhöhen Kommunen und Länder den Druck auf den Bund, ihnen bei der Flüchtlingsunterbringung zu helfen. "Die Städte stoßen zunehmend an ihre Grenzen, um Geflüchtete aufzunehmen und zu versorgen", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Süddeutschen Zeitung. Der Bund müsse langfristig Geld zusagen; zugleich müssten die Länder ihre Aufnahmekapazitäten ausbauen, um Städte und Landkreise zu entlasten. Die Länderregierungen wiederum sehen sich ebenfalls am Limit, werfen dem Bund vor, bereits zugesagte Hilfe zu verweigern, und fordern von ihm "deutlich" mehr Geld, wie es in der Beschlussvorlage zur MPK heißt.

Aus der Ukraine und aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten würden weiter Menschen nach Deutschland fliehen, sagte Lewe, der Oberbürgermeister von Münster. "Zelte, Containerdörfer und Messehallen in den Städten haben kaum noch freie Plätze. Und es mangelt an freien Wohnungen, um diese Sammelunterkünfte zu entlasten."

Das Geld reicht nicht und freie Unterkünfte gibt es auch keine mehr

An diesem Donnerstag sitzen in Berlin die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer zusammen. Dieses Treffen müsse Ergebnisse liefern, forderte Lewe. "Ein Vertrösten von Treffen zu Treffen" helfe nicht weiter. Bereits jetzt sei klar, dass die zugesagten Mittel von 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine und die flüchtlingsbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro für dieses Jahr zusammen nicht reichen werden. Die Städte fordern seit Längerem neue finanzielle Zusagen der Bundesregierung für 2023 und eine Perspektive, wie es 2024 weitergeht.

In diesem Punkt sind sie sich mit den Ministerpräsidenten einig: Der Bund müsse "dringend" die für dieses Jahr zugesagten Mittel bereitstellen und erhöhen, heißt es in der Beschlussvorlage zur MPK, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Außerdem habe die Regierung das Versprechen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), bundeseigene Immobilien für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen, "bislang nur unzureichend erfüllt".

Olaf Scholz will nun doch einen Flüchtlingsgipfel mit den Ministerpräsidenten

Offenbar scheint die Bundesregierung nun aber auf die Forderung insbesondere aus der Union einzugehen, ein Gipfeltreffen mit dem Bundeskanzler zur Flüchtlingspolitik einzuberufen, und nicht nur mit Faeser, wie bereits zweimal geschehen. Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, dies habe Olaf Scholz (SPD) den Ländern vorgeschlagen, der genaue Termin sei aber noch unklar. Laut dem Nachrichtenportal The Pioneer ist der 10. Mai im Gespräch.

Dann dürfte es auch um die Frage gehen, ob das System der Zuschüsse neu gestaltet wird. Dass der Bund nur eine fixe Pauschalzahlung zugesagt hat, löse angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen "stetigen Nachbesserungsbedarf" aus, schreiben die Ministerpräsidenten. Sie wünschen sich eine Rückkehr zum alten, bis 2021 geltenden System, das auch Pro-Kopf-Zahlungen vorgesehen hatte, und wollen mit Scholz über eine "dauerhafte, angemessene und regelgebundene" Kostenbeteiligung verhandeln - also nicht mehr vom guten Willen der Bundesregierung abhängig sein. Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten ist in Deutschland eigentlich Ländersache.

Mehr Planungssicherheit wünschen sich auch die Kommunen. Diese fehle, und das hindere Bürgermeister etwa daran, langfristig Liegenschaften anzumieten, aufzubauen oder zu sanieren, sagte Städtetagspräsident Lewe. Zudem fehlten für eine bessere Integration Kita- und Schulplätze, das Angebot an Sprachkursen könne den Bedarf immer weniger decken. "Es reicht nicht mehr, beim Thema Geflüchtete auf Sicht zu fahren", warnte Lewe. "Das geht auf Dauer nicht gut."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5769522
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.