Süddeutsche Zeitung

Integration:100 000 Ukrainer lernen Deutsch

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Bis Jahresende dürfte die Zahl der Sprachschüler drastisch steigen - auch weil die Regierung die Integrationskurse für alle Geflüchteten öffnet.

Von Nina von Hardenberg, München

Die Zahl der Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine, die in Integrationskursen Deutsch lernen, ist auf 100 000 gestiegen. Ukrainer seien inzwischen das größte Herkunftsland unter den Teilnehmern, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit. Mit ihnen sitzen noch 90 000 weitere Menschen "aus beinah allen Ländern der Welt" in den Kursen. Es sei gelungen, das Angebot innerhalb von fünf Monaten zu verdoppeln, heißt es aus dem Amt. Reichen wird das vermutlich nicht. Bis Ende des Jahres dürfte der Run auf die Kurse anhalten, denn inzwischen sind knapp eine Million Ukrainer in Deutschland registriert - und die Regierung will die Kurse auch für alle anderen Geflüchteten öffnen.

Das Erlernen der deutschen Sprache gilt unter Experten als grundlegende Voraussetzung, damit sich Geflüchtete selbständig im Alltag orientieren können, Arbeit finden und in Deutschland heimisch werden. Früher standen Sprachkurse nur Zuwanderern offen, deren dauerhaften Verbleib in Deutschland man erwartete, Geflüchtete wurden also meist erst aufgenommen, wenn sie - oft nach jahrelangen Asylverfahren - ein Bleiberecht erstritten hatten. Schneller ging es nur, wenn ihnen eine "gute Bleibeperspektive" attestiert wurde.

Das will die Bundesregierung nun ändern. Sprachkurse sollen Geflüchteten quasi vom Ankunftstag an offenstehen. Die Sprache sei der Schlüssel dafür, dass Menschen gesellschaftlich teilhaben und Stellen finden können, die ihren Qualifikationen entsprechen, heißt es in dem Gesetzesentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht, der Anfang Juli das Kabinett passierte. Dies sei auch schon während des Asylverfahrens wichtig, zumal die Realität zeige, "dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Menschen letztlich über einen langen Zeitraum in Deutschland lebt".

Mehr Kurse für bessere Verständigung bedeuten aber auch höhere Kosten. In den fünf Jahren bis 2021 kosteten Integrationskurse durchschnittlich etwa 719 Millionen Euro jährlich, hinzu kamen knapp 360 Millionen Euro für Berufssprachkurse. Angesichts der vielen neuen Teilnehmer wird es in diesem Jahr teurer. Mehr Geld, das aus Sicht der Wissenschaft gut angelegt ist, ökonomisch und als Mittel zur Integration.

Wer gut Deutsch spricht, findet bessere Jobs, zahlt mehr Steuern

Studien zeigen, dass sich Investitionen in Geflüchtete lohnen. Wer Sprachkurse belegte, lernte nicht nur deutlich besser Deutsch und verbesserte damit seine Chancen am Arbeitsmarkt, zahlte also langfristig auch höhere Steuern. Sondern fühlte sich Deutschland auch stärker verbunden, wie eine Analyse des Bamf-Forschungszentrums zeigt. Herbert Brücker vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung empfiehlt aus diesen Gründen, mehr zu investieren, und zwar "auch in eine möglichst hohe Qualität der Kurse und Differenzierung des Angebots".

Die meisten Geflüchteten starten mit einem Integrationskurs. Der beinhaltet 600 Stunden Sprachunterricht über sieben bis acht Monate und 100 Stunden Deutschlandunterricht, eine Art Heimaterkundung zur deutschen Rechtsordnung, Geschichte und Kultur. Dabei soll dann beispielsweise auch über Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau diskutiert werden. Der Integrationskurs schließt mit dem Sprachniveau B1 ab, es gilt als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland, genügt aber noch nicht fürs Berufsleben. Dafür stehen anschließend die Berufssprachkurse des Bamf offen.

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