Süddeutsche Zeitung

Ausländerzentralregister:Fast drei Millionen Geflüchtete in Deutschland

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Wegen des Kriegs in der Ukraine registrieren die Behörden so viele geflohene Menschen im Land wie noch nie. Doch es gibt Zweifel daran, ob sie wirklich alle noch hier leben.

Von Jan Bielicki, München

In Deutschland leben so viele aus anderen Ländern geflüchtete Menschen wie noch nie in der kompletten Nachkriegszeit. Insgesamt 2,9 Millionen Menschen waren Ende Juni im Ausländerzentralregister als Flüchtlinge registriert. Das sind fast eine Million mehr als noch ein halbes Jahr zuvor - ein Zuwachs, der sogar die Zahlen des Flüchtlingswinters 2015/16 noch übertrifft.

Der Grund dafür ist klar, der Krieg in der Ukraine hat Hunderttausende nach Deutschland getrieben. Seit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar haben die deutschen Behörden bis Ende Juni knapp 900 000 Menschen gezählt, die aus ihrem überfallenen Land hierher kamen, inzwischen sind es sogar fast eine Million. Das geht aus Zahlen hervor, mit denen die Bundesregierung eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger beantwortete. Die Antwort liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Zwei Drittel der registrierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind demnach weiblich, mehr als ein Drittel Kinder und Jugendliche - und nahezu alle sind auch ukrainische Bürger. Nur etwa drei Prozent der von dort geflohenen Menschen haben Pässe anderer Staaten; nicht allen von ihnen steht automatisch jene Aufenthaltserlaubnis zu, auf die Ukrainer nach einem Beschluss der EU Anspruch haben. Zwar erhalten vor allem die aus der Ukraine geflohenen Vietnamesen, Russen, Syrer oder Moldauer überdurchschnittlich oft diesen Schutzstatus, aber bislang nur wenige Bürger afrikanischer Staaten. "Das darf nicht so bleiben", kritisiert die Abgeordnete Bünger.

Wie viele Geflohene schon wieder ausgereist sind, weiß man nicht genau

Etwa 170 000 der registrierten Ukraine-Kriegsflüchtlinge hatten laut Ausländerzentralregister bis Ende Juni überhaupt noch kein Schutzgesuch geäußert. Das wirft ein Licht darauf, dass das Register die Wirklichkeit nicht so genau widerspiegelt, wie es den Anschein hat. Schon länger gibt es Zweifel daran, ob tatsächlich so viele Flüchtlinge im Land leben, wie hier gelistet sind. Insbesondere lässt sich nur sehr ungenügend erfassen, wer wieder zurück in die Heimat oder in andere Länder ausgereist ist. Auch das Bundesinnenministerium hat bereits eingeräumt, dass bei den Ausreisen "von einer validen Datenlage nicht ausgegangen werden kann".

Das gilt nicht nur bei Ukraine-Flüchtlingen. Während etwa drei Viertel der Geflohenen, die nicht erst jetzt aus der Ukraine kamen, einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben und oft schon seit Jahren hier leben, listet das Register etwa 300 000 Menschen als ausreisepflichtig. Auch hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass etliche von ihnen nicht mehr im Land sind. Etwa 250 000 haben eine Duldung, weil ihrer Ausreise Hindernisse entgegenstehen, bei 28 Prozent etwa fehlende Reisepapiere. Deutlich mehr als die Hälfte dieser Geduldeten lebt bereits mehr als fünf Jahre im Land und erfüllt damit eine Hauptbedingung für das "Chancen-Aufenthaltsrecht", das ihnen die Ampelkoalition eröffnen will. Für die Linke Bünger ist das nicht genug. Sie fordert "eine wirksame humanitäre Bleiberechtsregelung".

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