Süddeutsche Zeitung

FDP-Parteitag:Liberaler Alleinherrscher

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Christian Lindner ist so mächtig wie kaum ein FDP-Vorsitzender vor ihm. Echte Stärke wird die Partei aber nur wieder gewinnen, wenn ihr Bild von mehr als nur einer Person geprägt wird.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Christian Lindner hat auf dem Bundesparteitag in Berlin viel unternommen, um die neue FDP-Führung als Team erscheinen zu lassen. Schatzmeister Hermann Otto Solms, Generalsekretärin Nicola Beer, Vize Wolfgang Kubicki - für alle fand der Vorsitzende schöne Worte. Dazu schwärmte Lindner vom Zusammenhalt, vom Vertrauen, von der Loyalität in der Parteispitze. Gut klang das, wichtig war es. Die wahren Machtverhältnisse konnte es aber nicht überdecken. Diese FDP steht wie noch nie zuvor unter dem Einfluss eines einzigen Mannes: Christian Lindner.

Nichts zeigt das besser als die Abstimmung über die von ihm gewünschte Sonderumlage. 25 Euro pro Mitglied pro Jahr - das hätte in den vergangenen Jahrzehnten kein Vorsitzender wagen können. Selbst Guido Westerwelle, in noch gar nicht so grauer Vorzeit ähnlich mächtig, ist nie so stark gewesen, dass er sich so etwas ohne größte Widerstände hätte erlauben dürfen. Einen stärkeren Beleg für die überbordende Macht Lindners hat es lange nicht gegeben.

Die Niederlage seiner Vorgänger verschaffte Lindner Freiheiten

Keine Zweifel - die Vormachtstellung des 36-Jährigen hat auch mit seiner Chuzpe nach dem Desaster 2013 zu tun. Im Dezember des Katastrophenjahres war er der einzige, der nicht wie ein geschlagener Hund vom Felde ging, sondern sich ins Gefecht warf. Er scheute sich nicht, er trat an im Wissen, dass sich politisch seine ganze Zukunft am Jahr 2017 fest macht.

Ohne die umfassende Niederlage seiner Vorgänger hätte er freilich nicht jene Freiheiten bekommen, mit denen er heute agieren kann. Das ist keine Leistung gewesen. Es ist das Glück, das aus der Katastrophe erwachsen konnte.

Die FDP darf Lindner nicht alleine walten lassen

Und es ist eine Mahnung. Denn noch ist es nicht allzu lange her, dass mit Guido Westerwelle schon mal ein Vorsitzender zu großen Einfluss auf die Programmatik und auf das Erscheinungsbild der Partei hatte. Heute beklagen viele Mitglieder früherer Führungen, dass sie sich zu lange hinter ihm versteckt hätten, dass sie ihn zu lange hätten machen lassen. In der Tonlage dieser Wochen wird man den Verdacht nicht los, dass sich genau das wiederholen könnte.

Das Schicksal der FDP wird sich deshalb nicht an kleinen Zwischenerfolgen wie in Bremen und Hamburg entscheiden. Echte Stärke wird sie nur bekommen, wenn Lindners FDP auf Dauer die Kraft hat, Lindner nicht alleine walten zu lassen. Dass sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki bei den Wahlen am Freitag mit 94,2 Prozent knapp zwei Prozent mehr Stimmen bekam als Lindner, ist immerhin ein kleines Zeichen dafür, dass die Partei das kapiert hat. Genauer gesagt: Kapiert haben könnte.

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