Süddeutsche Zeitung

FDP:Multilateralismus in der Praxis

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Bundesaußenminister Heiko Maas hat die "Allianz der Multilateralisten" zu seinem großen Thema erklärt. Doch nun üben die Liberalen Kritik: Die Bundesregierung verspricht international mehr, als sie hält.

Von Daniel Brössler, Berlin

Unter ihren außenpolitischen Erfolgen vermeldete die Bundesregierung kürzlich in ihrer Halbzeitbilanz an erster Stelle die "Allianz der Multilateralisten". Mit Partnern setze man sich "für die Beibehaltung und Vertiefung der regelbasierten Ordnung" ein. Die Allianz gehört zu den großen Themen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Während der UN-Generalversammlung lud der Minister zu einer Art Gründungsversammlung. Etwa 60 seiner Kollegen kamen. "Nachhaltige Außenpolitik, das ist multilaterale Außenpolitik", verkündete Maas in der Generaldebatte. Alles richtig, findet Ulrich Lechte. Der FDP-Politiker ist Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung im Bundestag und beklagt, dass die hehren Worte nicht unterlegt sind - jedenfalls nicht mit Zahlen. "Bei der Groko klaffen Worte und Taten mal wieder weit auseinander", sagt er.

Die Mittel ohne Zweckbindung für die UN wurden nicht so wie versprochen aufgestockt

Hintergrund ist die akute Finanznot der Vereinten Nationen und anderer internationalen Organisationen. Im Unterschied zu anderen zahle Deutschland zwar relativ pünktlich seinen Pflichtbeitrag, räumt Lechte ein. Kein "Vorzeigebeispiel" liefere es aber bei einem anderen Problem, das die Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen massiv beeinträchtigt. Vielfach stellen Staaten - auch Deutschland - Geld nur mit der Auflage zur Verfügung, es für einen bestimmten Zweck zu verwenden. Die Geber argumentieren gerne mit der nötigen Kontrolle, aber den Organisationen raubt das die Möglichkeit, im Krisenfall schnell zu reagieren. So ging Organisationen wie dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2015 das Geld für die rasch steigende Zahl syrischer Flüchtlinge in den Lagern aus - was zu katastrophalen Zuständen führte und viele Menschen veranlasste, sich auf den gefährlichen Weg nach Europa zu machen. Auch wegen dieser Erfahrung gaben eine Reihe von Staaten, unter ihnen Deutschland, 2016 beim Humanitären Weltgipfel in Istanbul die Zusage ab, den Anteil ihrer nicht zweckgebundenen Zahlungen auf 30 Prozent zu erhöhen.

"In der Praxis erfüllen wir die vereinbarten Zielmarken nicht", beklagt Lechte. Dabei verweist er auch auf den Haushalt für 2020, an den gerade letzte Hand angelegt wird. So ging die FDP am Donnerstag mit der Forderung in die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss, im Etat des Auswärtigen Amtes erheblich umzuschichten. Für "sonstige Leistungen an Organisationen und Einrichtungen im internationalen Bereich" sind dort 61,3 Millionen Euro veranschlagt. Die FDP würde diesen Betrag gerne um 291,5 Millionen auf 352,8 Millionen Euro aufstocken. Kommen soll das Geld aus dem 1,5-Milliarden-Topf, der im Bundeshaushalt für zweckgebundene Hilfe bereit gehalten wird. Nur so könne das 30-Prozent-Ziel erreicht werden, argumentiert die FDP, stößt dabei bei Union und SPD auf taube Ohren.

Zwischen 2015 und 2018 habe sich die Bereitstellung flexibler Mittel vervierfacht und 2018 einen Gesamtanteil von 22,6 Prozent erreicht, argumentiert die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Allerdings wurden 2018 von 324, 7 Millionen Euro für das UNHCR nur 48,2 Millionen mit keiner oder mit "leichter" Zweckbindung überwiesen. Für die große Koalition gelte, kritisiert Lechte, "dass sie gerne von Multilateralismus redet, aber ihn in der Praxis nicht lebt".

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Quelle:
SZ vom 15.11.2019
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