Süddeutsche Zeitung

Ex-Ministerpräsident Berlusconi:Letzte Winkelzüge des Cavaliere

Lesezeit: 3 min

Es sieht schlecht aus für Berlusconi. In Rom entscheidet der Senat über den Ausschluss des ehemaligen italienischen Regierungschefs - und damit auch über die Zukunft der Koalition.

Von Andrea Bachstein, Rom

In Rom sind 23 Senatoren am Montagnachmittag erstmals zusammengetreten, um über das politische Schicksal von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu entscheiden. Indirekt befinden sie möglicherweise auch über die Zukunft der Regierungskoalition. Der Immunitätsausschuss muss die Frage beantworten, ob Berlusconi sein Mandat als Senator, sein einziges politisches Amt, vorläufig behalten darf, oder ob das Anti-Korruptionsgesetz auf ihn angewendet werden muss.

Mittels eines Interviews, das er der britischen BBC gab, hatte der sozialdemokratische Regierungschef Enrico Letta zuvor noch einmal fast beschwörend die Nachricht an Berlusconis Partei PDL geschickt, dass die Regierung weiterarbeiten müsse, egal wie es im Senat ausgehe: "Ich bin sicher, dass die PDL das entscheiden wird, was das Beste ist."

Er rechne nicht mit einem Ausstieg der Berlusconi-Partei. Und der Vizepremier aus Berlusconis PDL, Innenminister Angelino Alfano, mahnte am Montag: "Wir verlangen von dem Ausschuss, nicht das Rechts-links-Schema anzuwenden, damit es nicht wie eine politische Entscheidung aussieht." Es sollten nur juristische Kriterien gelten, sagte Alfano, "aus Respekt vor der Demokratie".

Berlusconi schwieg am Montag, und auch eine angeblich schon fertige Videobotschaft des 77-Jährigen liegt zumindest für den Moment auf Eis. Es hieß aber, seine Stimmung sei wieder einmal auf dem Tiefpunkt angelangt, so wenig Aussichten sehe er, einer für ihn negativen Entscheidung zu entgehen.

14 Senatoren gegen Berlusconi

Das im Januar in Kraft getretene Antikorruptionsgesetz, das nach der damaligen Justizministerin "Severino-Gesetz" heißt, bestimmt, dass jeder zu mindestens zwei Jahren Haft definitiv verurteilte Parlamentarier seinen Sitz aufgeben muss und zusätzlich auf sechs Jahre hinaus das Recht verliert, für ein Amt zu kandidieren. Berlusconi ist wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren verurteilt, auch wenn drei davon unter einen Straferlass fallen.

Die Mehrheitsverhältnisse im Immunitätsausschuss stehen eindeutig gegen den Führer der PDL. 14 Senatoren haben in den vergangenen Wochen wissen lassen, dass nach ihrer Ansicht Berlusconi aus der Parlamentskammer ausgeschlossen werden muss, acht sind dagegen, einer galt auch am Montag noch als unentschlossen.

Voraussichtlich hat er nun auch noch einige Tage, wenn nicht Wochen Zeit, sich eine Meinung zu bilden, denn es zeichnete sich bereits eine längere Diskussion ab. Der PDL-Senator Andrea Augello hatte als Berichterstatter für Montag eine zwischen 90 und 100 Seiten lange Einlassung vorbereitet, und jeder im Immunitätsausschuss darf darauf 20 Minuten lang erwidern.

Es ist jedoch nicht die Länge der Redebeiträge, sondern die Menge der juristischen Einwände, die erwarten lassen, dass Italien noch länger auf diese kritische Entscheidung warten muss, Tage mindestens, vielleicht auch Wochen. Das liegt unter anderem daran, dass Berlusconis Anwälte am Wochenende sogar vorsorglich Klage einreichten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

"Silvio Berlusconi gegen Italien", steht über dem Antrag. Auf 33 Seiten versuchen seine Anwälte dort zu begründen, warum gegen die Menschenrechte des Ex-Premiers verstoßen werde. Im Wesentlichen heben sie darauf ab, dass das Antikorruptionsgesetz unzulässigerweise rückwirkend angewendet würde. Außerdem würde der Führer einer der wichtigsten italienischen Parteien an der Ausübung des Auftrags von Millionen Wählern behindert, und zwar von einem politischen Gremium, nicht von einem juristischen.

Die Frage, ob das Anti-Korruptionsgesetz rückwirkend angewandt werden kann, wird natürlich auch den Immunitätsausschuss beschäftigen. Italienische Verfassungsrechtler haben dazu sehr unterschiedliche Ansichten geäußert. Dies gilt auch für die Frage, ob der Senat dazu das italienische Verfassungsgericht anrufen wird. Die Straßburger Richter werden nun erst einmal die Zulässigkeit der Klage Berlusconis prüfen und klären, ob der Rechtsweg in Italien ausgeschöpft wurde. Das dauert vermutlich einige Monate. So lange könnte der Schachzug der Berlusconi-Anwälte den Beschluss der Senatoren also aufhalten.

Hausarrest oder Sozialdienst

Dann wird ihn ohnehin das Gesetz ereilen: Von 15. Oktober an kann seine Verurteilung vollstreckt werden. Er müsste entweder in den Hausarrest gehen oder anfangen, einen Sozialdienst zu leisten. Und kurz darauf, am 19. Oktober, ist in Mailand der Termin angesetzt, an dem das Gericht, wie von der höchsten Instanz aufgetragen, noch einmal über die Dauer des Amtsverbots entscheidet, das unabhängig vom Antikorruptionsgesetz mit der Verurteilung als Steuerbetrüger einhergeht. Zwischen zwölf Monaten und drei Jahren sind zu erwarten.

Aber bis 15. Oktober, hofft der Ex-Premier, könnte er den Staatspräsidenten noch überzeugen, ihn zu begnadigen. Auf diese Lösung zu setzen, raten dem bedrängten Rechts-Politiker angeblich seine Kinder. Selbst im derzeit nicht wahrscheinlichen Fall, dass Präsident Giorgio Napolitano einen Gnadenweg finden würde, könnte er Berlusconi vor dem Amtsverbot aus Mailand nicht retten: Das Staatsoberhaupt hat schon deutlich gemacht, dass er ihm allenfalls den Hausarrest oder den Sozialdienst ersparen könnte, mehr lässt das Gesetz einfach nicht zu.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1766767
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.09.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.