Süddeutsche Zeitung

Europäische Volkspartei:Ärger auf Orbán wächst

Lesezeit: 2 min

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel, und Stefan Braun, Berlin, Berlin/Brüssel

Es ist wie so oft mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán: Selbst kleinste Versuche, einem Streit die Spitze zu nehmen, bleiben am Ende vage und liefern keine Hoffnung auf bessere Zeiten. Auch diese Woche ist das so gelaufen. Einerseits gab es einen überraschenden Besuch aus Budapest in der Berliner CDU-Parteizentrale; andererseits blieb am Ende wieder nur ein großes Fragezeichen.

Und das nicht etwa, weil es Zweifel daran gäbe, dass, Gergely Gulyás und Zoltán Balog, zwei enge Orbán-Vertraute, tatsächlich das Gespräch mit Annegret Kramp-Karrenbauer gesucht haben. Balog war früher Minister, Guylás ist Chef der Regierungszentrale. Offen blieb die Frage, was die beiden mit ihrem Besuch erreichen wollten. Sollte der eine echte Botschaft der Entspannung werden? Oder sollte er nur nach außen den Eindruck vermitteln, Orbán wolle die Wogen glätten? Wie man es dreht und wendet - hinterher ist keiner schlauer. Sieht man davon ab, dass die CDU-Vorsitzende den Beiden nach eigenem Bekunden auf den Weg gab, Orbán und seine Fidesz-Partei müssten endlich belegen, dass sie sich weiterhin den europäischen Werten der EVP-Familie verbunden fühlten.

Dieser Appell freilich dürfte die Lage weder in Budapest noch in Brüssel ändern. Deshalb steht nach der jüngsten Eskalation im Konflikt zwischen Orbán und der Europäischen Volkspartei ein Ausschluss der Fidesz-Partei aus der EVP im Raum - auch wenn das die EVP-Fraktion zehn ihrer derzeit 217 Sitze im EU-Parlament kosten könnte. Hintergrund ist eine Plakataktion, die seit vergangener Woche in Budapest die Straßen ziert und in Brüssel die Gemüter erregt. Das Plakat zeigt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen mit dem Großinvestor George Soros. Und der ist in Ungarn praktisch in den Rang eines Staatsfeinds erhoben worden, dessen politisches und finanzielles Engagement für Universitäten und Nichtregierungsorganisationen Orbán als Provokation und Gefahr bekämpft hat. Soros und Juncker auf einem Plakat zu vereinen, heißt deshalb: Bleibt uns weg mit den Beiden. Das hat bei vielen Mitgliedsparteien der EVP im Konflikt mit den Ungarn das Fass zum Überlaufen gebracht, weil Orbán nicht nur EU-Institutionen angreift, sondern auch noch die Person des Kommissionspräsidenten - ein Amt, das die EVP nach der Wahl mit dem eigenen Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) besetzen möchte.

Der Ausschluss der Fidesz aus der EVP wird inzwischen nicht mehr nur diskutiert, er wird von mehreren Parteivorsitzenden konkret gefordert. Am Donnerstag schrieben die Chefs dreier Parteien aus Belgien und Luxemburg an EVP-Präsident Joseph Daul einen Brief, in dem sie genau das verlangen und andere Parteien auffordern, das gleiche zu machen. Die portugiesische Partei CDS verfolgt diese Linie ohnehin schon länger. Um ein Ausschlussverfahren anzustrengen, müssen den EVP-Statuten zufolge mindestens sieben Parteien aus mindestens fünf Ländern einen Antrag stellen. Am kommenden Mittwoch tagen in Brüssel die EVP-Fraktion und der Parteivorstand, offiziell zur Vorbereitung der Plenarwoche in Straßburg. Tatsächlich aber dürfte die Debatte um Orbán die Agenda bestimmen.

Zorn gibt es auch in der CDU. So hat Angela Merkel jüngst erklärt, sie sei "absolut solidarisch" mit Jean-Claude Juncker. Wer weiß, wie kritisch die Bundeskanzlerin diesen oft sieht, kann erahnen, wie groß ihr Ärger über Viktor Orbán sein muss. Gleichwohl verfolgen Merkel und die neue CDU-Chefin bislang die Linie, einen Ausschluss von Fidesz zu verhindern.

Ihr Motiv: Sie wollen nicht zulassen, dass der Ungar sich zu einem Märtyrer erhebt, der er wohl gerne wäre. Und zwar besonders dann, falls bei der Europawahl Ende Mai tatsächlich geschieht, was vielerorts befürchtet wird: dass europa-feindliche und nationalistische Kräfte bei der Wahl starke Zugewinne verzeichnen.

Mittlerweile können indes selbst CDU und CSU einen Rauswurf nicht mehr ausschließen. So erklärte Manfred Weber im Spiegel, der Konflikt habe eine "neue Qualität", daher werde man "sehr bald zu konkreten Aktionen kommen". Es scheint so zu sein, als könne die Geduld der EVP doch enden.

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SZ vom 02.03.2019
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