Süddeutsche Zeitung

Europawahl:"Ich mag den Kerl"

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Von Daniel Brössler, Berlin

Alexander Stubb würde Manfred Weber wählen. Auf die Idee könnte erst einmal kommen, wer den Finnen nach seinem Gegenkandidaten bei der Wahl zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP) übernächste Woche in Helsinki fragt. "Ich habe nichts Böses über Manfred zu sagen", verkündet Stubb gleich. Das klinge "vielleicht ein bisschen langweilig, aber ich mag den Kerl". Ohnehin gebe es doch "zu viel Negativität und Hassreden in der Politik". Stubb tourt auf der Suche nach Unterstützern dieser Tage durch Europa und ein paar Argumente, warum die Delegierten vielleicht ihm und nicht dem Mann aus Bayern ihre Stimme geben sollten, fallen ihm bei einem Zwischenstopp in Berlin dann doch ein.

Einer hat damit zu tun, wie sehr Webers europäische und innenpolitische Ambitionen derzeit zusammenlaufen. Der Fraktionsvorsitzende der EVP im EU-Parlament strebt nicht nur den Job als Präsident der Europäischen Kommission an, er hat auch ein Auge geworfen auf den womöglich schon bald frei werdenden Posten als CSU-Vorsitzender. Dem Finnen ist das nicht entgangen. "Aus der Geschichte kenne ich keinen Fall, dass ein Kommissionspräsident zugleich Parteivorsitzender war", sagt Stubb. Er wisse nicht, "ob der Kommissionspräsident Vorsitzender einer lokalen oder nationalen Partei sein kann". Zwar sieht sich schon der jetzige Amtsinhaber Jean-Claude Juncker als Chef einer "politischen" Kommission, aber die Frage, die Webers mehrgleisige Ambitionen aufwirft, ist tatsächlich neu.

Der CSU-Mann argumentiert, für ihn sei Europa eine "normale politische Ebene", womit er die Frage nach der Vereinbarkeit von Parteivorsitz und Kommissionspräsidentschaft zumindest in der Schwebe hält. "Die Rolle der Kommission ist es, Hüterin der Verträge zu sein", sagt dagegen Stubb. Soll heißen: Der Präsident der EU-Kommission muss zwar nicht überparteilich sein, aber übernational. Allenfalls, meint Stubb, könne er sich vorstellen, dass ein Kommissionspräsident auch Vorsitzender der EVP sei, also aller europäischen Christdemokraten.

Das Gedankenspiel dürfte übrigens nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin schnell an Grenzen der Machbarkeit stoßen. Als Parteivorsitzender säße Weber in Berlin im Koalitionsausschuss, in dem es immer wieder auch darum geht, wie man sich am besten gegen Begehrlichkeiten der Brüsseler Behörde wehrt. In Finnland war Stubb von 2014 bis 2016 Vorsitzender der Nationalen Sammlungspartei (KOK), doch das sei Vergangenheit, versichert er. "Ich werde nicht als Vorsitzender kandidieren. In die nationale Politik kehre ich nie zurück. Das kann ich versprechen", sagt er lachend.

Ins Zentrum seiner Kampagne hat Stubb die Verteidigung der "europäischen Werte" gerückt und sich zu einer offenen Konfrontation mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán entschieden - was indirekt durchaus auch als Attacke auf Weber verstanden werden kann. Weber hat zwar zuletzt deutliche Kritik an Orbán geübt, war aber über die Jahre stets bemüht, den rechtsnationalen Ungarn und dessen Fidesz-Partei in der EVP zu halten. So ließ Orbán denn auch wissen, dass seine Stimme Weber gehöre. Dem Finnen ist es recht. "Wenn Viktor Orbán gesagt hätte, ich unterstütze Alexander Stubb, wäre das ein Todeskuss gewesen", sagt er. Für Weber sei das anders: "Er kommt aus einer etwas anderen Tradition als ich. Und offenkundig liegt Bayern viel näher an Ungarn als Finnland." Nebenbei erinnert er auch daran, dass die CSU - mit Ausnahme Webers - im EU-Parlament gegen die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn nach Artikel 7 des EU-Vertrages gestimmt hat.

"Ich wünschte, es wäre Eishockey"

Die "illiberale Demokratie", wie Orbán sie verfechte, sei "ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich", sagt er. Das Problem mit der Fidesz müsse die EVP lösen, fordert Stubb. Entweder unterschreibe Orbán ein Bekenntnis zu den Werten der EVP oder die Fidesz müsse die EVP verlassen. "Ich bin ein sehr toleranter Mensch, aber ich habe null Toleranz für Intoleranz", sagt er. Auch wenn er die Wahl zum Spitzenkandidaten verliere, werde er in dieser Sache nicht nachlassen, kündigt er an.

Tatsächlich beurteilt der Finne seine Erfolgsaussichten beim Parteikonvent in Helsinki eher nüchtern. "Es ist ein bisschen wie Deutschland gegen Finnland im Fußball", sagt Stubb. "Ich wünschte, es wäre Eishockey."

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Quelle:
SZ vom 27.10.2018
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