Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Türkei will EU-Beitritt spätestens in sechs Jahren

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Die Türkei will ungeachtet der schweren Krise im Land binnen sechs Jahren Mitglied der Europäischen Union werden. Es wäre "die Krönung für mein Land", wenn es im Jahr 2023 zum hundertsten Gründungstag der Türkischen Republik Mitglied der Union werden könnte, sagte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel der Welt.

Sein Land strebe eine "vollwertige Mitgliedschaft" an. "Für uns wäre es langfristig nicht akzeptabel, nicht zur EU zu gehören. Der EU-Beitritt ist sehr wichtig für uns." Eine EU-Mitgliedschaft würde nach Einschätzung Yenels die Standards in der Türkei in "allen Bereichen" erhöhen - in politischen und wirtschaftlichen Fragen, aber auch im Verbraucher- und Gesundheitsschutz.

Mit Blick auf die geplante Visaliberalisierung forderte Yenel Garantien von Seiten der EU: "Wir haben große Zweifel, dass die EU die Visumpflicht für Türken wirklich aufheben wird, wenn wir alle dazu notwendigen 72 Bedingungen erfüllt haben", sagte er. Eine visumfreie Einreise für Türken ab Oktober sei immer noch möglich, sie müsse aber in jedem Fall noch in diesem Jahr kommen. Die Visa-Freiheit ist Teil des Flüchtlingspaktes zwischen der EU und der Türkei. Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt, deren Asylantrag in Griechenland abgelehnt worden ist.

Merkel: "Besondere Verbindung"

Trotz der aktuellen Spannungen sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel "eine besondere Verbindung" zwischen Deutschland und der Türkei. "Was das deutsch-türkische Verhältnis besonders macht, sind die über drei Millionen türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben", sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Zwar gebe es auch enttäuschende Beispiele offenbar nicht gelungener Integration. "Andererseits wäre es ganz falsch, davon auf alle drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zu schließen", so die Kanzlerin.

Zuletzt hatte es zwischen Berlin und Ankara heftige Verstimmungen gegeben, etwa weil das rigorose Vorgehen von Staatspräsident Erdoğan gegen tatsächliche und vermeintliche Unterstützer des gescheiterten Putschversuchs auf viel Kritik in Deutschland stößt. Zudem war eine vertrauliche Analyse aus dem Bundesinnenministerium bekanntgeworden, wonach die Türkei unter Erdoğan seit Jahren islamistische und als terroristisch eingestufte Organisationen unterstützt.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte hingegen eine härtere Haltung gegenüber Ankara und sieht den Flüchtlingspakt mit der Türkei skeptisch. "Die Bundesregierung muss sich klarmachen, dass die reale Politik der Türkei gerade dabei ist, das Flüchtlingsproblem eher zu vergrößern", sagte er der Nordwest-Zeitung. Das fange in Libyen an, gelte aber auch für die Türkei im Innern. "Der Abbau demokratischer Rechte, die willkürlichen Verhaftungen, die Eskalation im Kampf gegen die Kurden - wenn das anhält, werden auch Menschen aus der Türkei in die EU fliehen", so Trittin.

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