Süddeutsche Zeitung

Frauenbewegung:Auch in Europa bedrohen Rechtspopulisten die Gleichberechtigung

Lesezeit: 3 min

Abtreibungen sind Teufelszeug und Frauenquoten Planwirtschaft: Rechtspopulisten wie Trump sind auch in Europa erfolgreich - Gleichberechtigung gilt in ihren Parteiprogrammen nicht viel.

Von Susan Vahabzadeh

Als sich im 19. Jahrhundert die ersten Frauen zusammentaten, um sich Rechte zu erkämpfen, auf Wahlrecht, auf Besitz und ihren eigenen Lohn, da kamen sie nirgendwo schneller vorwärts als im Wilden Westen. Das erste Wahlrecht für Frauen gab es 1869 in Wyoming. Umso bitterer ist es, wenn ausgerechnet in den USA, denen in Sachen Gleichberechtigung eine Vorreiterrolle zukam, der Status quo nun durch Donald Trump infrage gestellt wird. Ist das aber ein rein amerikanisches Problem? Leider nein - was in den USA gerade an Rückschritt befürchtet wird, steht auch in vielen europäischen Ländern zur Diskussion. Die Rechtspopulisten sind in zahlreichen Staaten erfolgreich - und die Errungenschaften der Gleichberechtigung gelten in ihren Parteiprogrammen nicht viel.

Trump hatte im Wahlkampf zum Beispiel gepoltert, Frauen sollten für Abtreibungen bestraft werden. Da ist man in Polen schon weiter gegangen: Die regierende Pis-Partei war bereits im Begriff, im Unterhaus in Warschau ein solches Gesetz durchzubringen - und machte dann im Oktober einen Rückzieher, weil es so viele Demonstrationen dagegen gab. Inzwischen hat die Partei einen neuen Plan: Das Abtreibungsrecht in Polen ist ohnehin rigide, nun aber soll jede Frau, die auf eine Abtreibung verzichtet, obwohl der Fötus beispielsweise aus einer Vergewaltigung stammt oder schwer krank zur Welt käme, eine Prämie von fast 1000 Euro bekommen.

Dabei sind Rechtspopulisten nicht automatisch Frauenfeinde. In Schweden beispielsweise sind die Rechte von Frauen sowie von Homosexuellen bereits so stark verwurzelt, dass die wichtigste rechtspopulistische Partei, Sverigedemokraterna, die Schwedendemokraten, an diesen Vereinbarungen nicht rüttelt, auch nicht an Quotenregeln und dem umstrittenen Abtreibungsrecht. Populistisch kann ja immer nur sein, was tatsächlich eine große Gruppe, wenn auch oft klammheimlich, gern hätte.

Marine Le Pen mobilisiert weibliche Wähler

Aber Schweden ist ein Ausnahmefall. In vielen Ländern werden rechtspopulistische Parteien überwiegend von Männern gewählt, etwa in Frankreich. Die Parteivorsitzende des Front National, Marine Le Pen, setzt aber seit einigen Jahren darauf, weibliche Wähler zu mobilisieren, und sie hat damit Erfolg. Inzwischen sind weibliche und männliche Front-National-Anhänger zahlenmäßig fast gleichauf. Le Pen zitiert die Philosophinnen Simone de Beauvoir und Élisabeth Badinter, behauptet, Gleichberechtigung sei Konsens. Stimmt das? Als sie im Oktober bei einem Interview gefragt wurde, ob sie sich als Feministin definiere, wich sie aus. Sie wurde dann gefragt, warum es auf ihrer Internetseite zwar Details dazu gebe, wie Mütter, die zu Hause bleiben, vergütet werden sollen, aber kein Wort zur ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen generell? Die fände sie, antwortete Le Pen, "skandalös" - betonte allerdings gleich, der fundamentale Islam sei für Frauen eine weit größere Bedrohung.

In Frankreich haben mehrere Organisationen gemeinsam "Droits des femmes contre les extrêmes droites" (Frauenrechte gegen Rechtsextreme) gegründet und eine Internetseite eingerichtet, auf der man sich im Detail informieren kann, ob die Behauptung des Front National, für Gleichberechtigung zu stehen, einer Überprüfung standhält. Madame Le Pen sei nicht, was sie vorgebe zu sein, zitiert Le Monde Suzy Rojtman, die Sprecherin von Droits des femmes contre les extrêmes droites: "Hier wird der feministische Diskurs im Dienst von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit instrumentalisiert." Sexuelle Übergriffe, sagt Rojtman, würden bei Le Pen immer nur von Migranten begangen, im Diskurs des Front National sei die Familie der Schutzwall - obwohl, so Rojtman weiter, "im Schutz der Familie die meisten Gewalttaten passieren". Eine klare Haltung zur Abtreibung, wie sie Hillary Clinton hat, die immer für ein liberales Abtreibungsrecht stand, hat Marine Le Pen nicht.

Die AfD lehnt Frauenquoten als "Planwirtschaft" ab

Es ergibt sich ein ähnliches Bild, wenn man das Grundsatzprogramm der AfD vom Mai 2016 betrachtet. Darin steht beispielsweise: "Die Wirtschaft will Frauen als Arbeitskraft. Ein falsch verstandener Feminismus schätzt einseitig Frauen im Erwerbsleben, nicht aber Frauen, die nur Mutter und Hausfrau sind." Alleinerziehende Frauen waren in ersten Textentwürfen ganz außen vor, im Programm ist das nun alles etwas freundlicher formuliert, weil die AfD das Erziehen von Kindern subventionieren will. Die Partei will aber auch ein "Lohnabstandsgebot" einführen - wer arbeiten geht, soll garantiert mehr Geld haben als jemand, der zu Hause bleibt. Wie genau all diese Frauen, die da zu Hause bleiben sollen, um Kinder aufzuziehen, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ohne die Verlierer zu sein, bleibt schleierhaft. Denn Eingriffe in den Arbeitsmarkt sind ja auch tabu: Frauenquoten, so steht es im Programm, seien Planwirtschaft und abzulehnen. Genauso sieht die AfD "spezielle Frauenstudiengänge ", ohne allerdings zu sagen, was sie darunter versteht. Klar ist aber, dass die AfD Genderforschung für überflüssig hält.

Beim Thema Abtreibungsrecht ist dem AfD-Parteiprogramm zu entnehmen, dass die straffreie Abtreibung aus "sozialen Gründen" - die Anführungszeichen stehen so im Programm - nicht im Sinne der Partei ist; soziale Gründe, nach diesem Denken ist das, wenn eine Frau nicht um ihr physisches, sondern nur um ihr psychisches Wohl fürchtet. Das ist alles umständlich und vorsichtig formuliert, und natürlich auch schwammig. "Die Alternative für Deutschland wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären." Was soll das heißen? Ist im Zweifelsfall auch die Kostenübernahme eine staatliche Förderung? Ist Straffreiheit eine Bagatellisierung?

Mutter, Hausfrau, Abtreibungsverbot - das Frauenbild der Rechtspopulisten erinnert in vielem an die Vorstellungen der Fünfzigerjahre. Da ist es nur konsequent, dass bestimmte Themen keine Rolle spielen, sei es gleicher Lohn oder ein Recht auf Kita-Plätze.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2016
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