Süddeutsche Zeitung

Seenotrettung in der EU:Italien ist nicht das einzige Land mit Hafen am Mittelmeer

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Die Mitgliedstaaten sind gefordert, eine Lösung für die Verteilung von Migranten zu finden. Von der Leyen muss sich des Themas annehmen, will sie die EU politisch zusammenhalten.

Kommentar von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die Migranten auf der Open Arms durften inzwischen an Land gehen, die Menschen auf der Ocean Viking jedoch müssen weiter darauf warten, einen Hafen ansteuern zu können. Beide Fälle zeigen deutlich, dass es eine nachhaltige Lösung braucht für jene Migranten, die auf dem Mittelmeer aus Seenot gerettet werden. Aber wer nach einer schnellen Lösung ruft, wird enttäuscht. Denn man muss unterscheiden zwischen dem, was wünschenswert wäre - und dem, was realistisch ist.

Wünschenswert ist für viele, dass sich alle EU-Staaten an der Verteilung der Migranten beteiligen, ob sie nun übers Meer kommen oder auf dem Landweg. Andere Länder wollen im Idealfall aber gar keine illegale Migration in die EU. Realistisch ist weder das eine noch das andere: ein Ende der illegalen Zuwanderung nicht, weil man im Meer keine Mauer errichten kann. Das zeigen nicht nur die Menschen, die auf der Ocean Viking auf einen Hafen warten, sondern auch jene Migranten, deren Boote seetüchtig sind, und die es ohne Hilfe - und ohne würdeloses Polittheater - an die Ufer der EU schaffen. Aber auch die Beteiligung aller an der Verteilung der Migranten ist nicht realistisch, weil Staaten wie etwa Ungarn nun einmal nicht mitmachen wollen. Sie zu überstimmen, hieße, eine weitere Spaltung der EU zu riskieren.

Die Zahl der Ankommenden ist nicht so hoch

Auch wenn es banal klingt: Es gibt keine einfache Antwort. Der Knoten kann nicht zerschlagen und auch nicht entwirrt werden. Den EU-Ländern bleibt nur, jeden einzelnen Faden sachte zu bearbeiten. Für die künftige EU-Kommission wird das eine der wichtigsten Aufgaben werden. Nicht etwa, weil die Zahl der Ankommenden so hoch wäre - das ist sie nicht: 2015 kamen mehr als eine Million Menschen über das Mittelmeer. 2019 sind es bisher keine 50 000 gewesen. Ursula von der Leyen muss sich des Themas trotzdem annehmen, wenn sie die EU politisch beisammenhalten will.

Das Instrumentarium dafür ist bekannt: Die EU muss die Herkunftsländer noch viel stärker als bisher unterstützen, damit die Menschen keinen Grund haben aufzubrechen. Jene, die ankommen, aber keine Bleibeperspektive haben, müssen zügig zurückgebracht werden. Die libyschen Lager, in denen schreckliche Zustände herrschen und in denen diese Menschen bisher oft landen, müssen evakuiert werden durch Vereinbarungen mit internationalen Organisationen und anderen afrikanischen Ländern. Es müsste mehr legale Möglichkeiten geben, in die EU einzuwandern, denn auch das verringert die Zahl illegaler Einreisen. Und schließlich sollte die Kommission den Vorschlag des Parlaments zu den sogenannten humanitären Visa prüfen, mit denen Migranten legal in die EU einreisen könnten, um hier um Asyl zu bitten. Damit könnte von der Leyen auch beweisen, dass es ihr ernst ist mit ihrer Ankündigung, dem Parlament ein De-facto-Initiativrecht einzuräumen.

Keine dieser Maßnahmen greift von heute auf morgen, die Menschen auf der Ocean Viking müssen aber jetzt an Land gebracht werden. Nun sind die Mitgliedstaaten am Zug, die bei einem Treffen im September eine Lösung finden wollen. Sie sollten ihre Bereitschaft, Migranten aufzunehmen, nicht länger davon abhängig machen, ob genug andere Länder bereit sind, dasselbe zu tun. Und Italien und Malta sind nicht die einzigen EU-Staaten mit Häfen am Mittelmeer.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2019
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