Süddeutsche Zeitung

EU: Krise der Währungsunion:Den Euro retten, um Europa zu retten

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Der Kontinent braucht ein Bekenntnis zu seiner Währung, wenn er nicht zerfallen soll. Gefordert sind vor allem Deutschland und Frankreich.

Stefan Kornelius

Die Europäische Union hat kein besonderes Aufhebens gemacht, als Griechenland der Euro-Zone beitrat. Jetzt, da Griechenland im Schuldenloch sitzt und den Euro mit in den Abgrund reißen könnte, scheint es wieder so zu sein: Die übrigen Europäer, und vor allem der EU-Apparat, reagieren gleichgültig.

Europa ist müde. Müde nach zermürbenden Verhandlungen über einen Vertrag, der nach der Hauptstadt eines anderen, hochverschuldeten Landes benannt ist. Müde nach den Rangeleien um mehr oder weniger taugliches Führungspersonal, das vor allem nach Kriterien des Proporzes ausgesucht wurde. Müde von der Last, wie sie nun mal eine Gemeinschaft von 27 Staaten mit einer zähen Bürokratie darstellt. Wer allein die Besetzungs-Regeln für die neuen EU-Botschafterposten studiert, der verliert die Lust an Europa.

Das ist ein dramatisches Urteil für eine Gemeinschaft, die ihre Existenz viel zu oft als schicksalhaft bezeichnet hat. Jetzt, da es tatsächlich um den Bestand, um das politische Überleben geht, reagiert Europa apathisch. Denn nichts Geringeres als der Kern des vielbeschworenen politischen Experiments Europa steht nun auf dem Spiel: der Euro.

Der Euro ist eine Währung, die die Länder des Kontinents politisch zusammenschweißen sollte, auf dass sie stark genug werden für die kräftigen Marktwinde, die rund um den Globus pfeifen. Der Euro sollte sie zwingen, ihren politischen Zwist beizulegen und ein für allemal auszuschließen, was über die Jahrhunderte zum Kalender gehörte wie Aussaat und Ernte: Krieg. Der Euro sollte zur politischen und sozialen Harmonie zwingen, weil 27 Staaten auf so kleinem Raum zu viel Energie vergeuden, wenn jeder seine eigenen Vorstellungen von Souveränität und Selbstbestimmung pflegt.

Der Euro aber ist ein dürrer Zweig, wie die Griechen-Krise nun lehrt. Die globalen Finanzstürme können den Zweig schnell knicken. Ein Investor in Bahrain oder in Shanghai wird Italien oder Spanien kein Geld mehr leihen wollen, wenn er nicht sicher sein kann, dass dort ordentlich gewirtschaftet und notfalls von den Verbündeten ordentlich gebürgt wird.

Der Euro, dieses Rückgrat der EU, kann ganz schnell gebrochen werden, wenn der politische Wille zum aufrechten Gang fehlt. Jetzt, da die Marktkräfte stärker sind als der politische Wille, zeigt sich das Defizit Europas: Der Gemeinschaft fehlt die Idee zur politischen Festigung des Euro. Es fehlen die Muskeln am Rückgrat. Dabei wird es nicht reichen, wenn die Euro-Regeln besser überwacht und die Haushalte strenger kontrolliert werden. Die gemeinsame Währung zwingt zu viel mehr gemeinsamer Politik: bei Wirtschaft und Investitionen, bei der Besteuerung, bei der Haushaltsplanung.

Die Staaten Europas, vor allem Deutschland und Frankreich, werden sich politisch viel stärker verzahnen müssen, wenn sie ihre Währung und damit ihre Gemeinschaft nicht verlieren wollen.

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SZ vom 30.04.2010/hai
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