Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Webers Klagen ist unseriös und inkonsequent

Lesezeit: 2 min

Der gescheiterte EVP-Kandidat spricht von "Hinterzimmer" und "mächtigen Kräften", die ihn das Amt des Kommissionspräsidenten gekostet hätten - und klingt dabei wie die Populisten, die er doch eigentlich bekämpfen will.

Kommentar von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die Europäische Volkspartei (EVP) hat einen schönen Trostpreis bekommen. Zwar haben die Staats- und Regierungschefs ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) nicht für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert. Stattdessen soll es nun Ursula von der Leyen (CDU) werden, immerhin eine aus ihren Reihen.

Und so ist der Widerstand im Europäischen Parlament gegen die Entscheidung der Regierungschefs zwar groß - aber die EVP wird von der Leyen wohl trotzdem wählen, auch Weber: "Ich werde Ursula von der Leyen unterstützen", sagt er in einem Interview mit der Bild-Zeitung.

So weit, so erwartbar. Erstaunlich ist, was Weber in dem Interview sonst noch sagt: "Es gab mächtige Kräfte, die das Wahlergebnis nicht akzeptieren wollten." Die "Achse Macron und Orbán" habe das Spitzenkandidatenprinzip in "Hinterzimmer-Gesprächen und Nachtsitzungen" demontiert. "So wie das gelaufen ist, kann ich sagen: Das ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle." Er werde weiter für eine Demokratisierung der EU kämpfen. Seine Botschaft könnte man so zusammenfassen: Es wurde schlimm gemauschelt, das Wahlergebnis wird ignoriert - aber ich bin trotzdem dafür.

Das ist inkonsequent und unseriös. Inkonsequent, denn wenn der Vorgang für Weber wirklich so unerträglich ist - warum will er dem Deal dann zustimmen? Kaum jemand in Brüssel und Straßburg hat tatsächlich Lust auf den ganz großen Konflikt zwischen Rat und Parlament. Aber wenn Weber wirklich findet, dass es bei den Staats- und Regierungschefs undemokratisch und intransparent zugeht, dann müsste er dem Postendeal eigentlich seine Stimme verweigern.

So aber steht Weber da als jemand, der zwar laut nach mehr Demokratie ruft - aber umfällt, wenn seine eigene Partei am Ende als Gewinner dasteht. Damit nährt er genau jenen EU-Frust der Wähler, von dem er im Interview berichtet: "Parteien haben Kandidaten - am Ende kommt es ganz anders, wie kann das sein?"

Unseriös sind Webers Aussagen, weil er nicht die ganze Geschichte erzählt. Zum einen war eine Alternative zu dem Personalpaket, das die Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen haben, zum Zeitpunkt des Gipfels schlicht nicht absehbar. Sie ist auch jetzt nicht in Sicht, auch deswegen, weil es Weber nicht gelungen ist, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln - oder hinter einem der anderen Spitzenkandidaten.

Es stimmt, das Parlament hatte nur wenig Zeit, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen: Ein Großteil der Abgeordneten ist neu im Europaparlament, die Fraktionen mussten sich erst konstituieren. Aber es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass mehr Zeit an der Situation irgendetwas verändert hätte.

Zum anderen unterschlagen die Abgeordneten - nicht nur Weber - gern, dass es niemals ausgemachte Sache war, dass nur ein Spitzenkandidat Kommissionspräsident werden kann. Der Demokratie würde das dienen, die Stellung des Parlaments würde gestärkt, und beides wäre sehr wünschenswert. Aber im EU-Vertrag steht es nun einmal (noch) nicht so drin, und die Staats- und Regierungschefs haben sich bislang auch nicht darauf verpflichtet.

Genau das gilt es bis zur nächsten Europawahl in fünf Jahren zu ändern. Darauf sollte sich Weber konzentrieren - sonst agiert er nicht besser als die Populisten, die er eigentlich bekämpfen will.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4512894
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.