Süddeutsche Zeitung

EU:Von der Leyen umwirbt das Europaparlament

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Von Matthias Kolb, Brüssel

Ursula von der Leyen geht nach ihrer äußerst knappen Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission durch das Europäische Parlament auf die vier größten Fraktionen zu. Am Dienstagvormittag traf sie sich in Brüssel eine knappe Stunde mit den Fraktionschefs von Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten, der liberalen Gruppe "Renew Europe" sowie den Grünen, um mit ihnen über das Arbeitsprogramm der künftigen EU-Kommission zu sprechen.

Dass dieses Gespräch so zeitig und nicht erst wie geplant im September nach der Sommerpause stattfand, deutet die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller als positives Signal. "Es ist gut, dass Ursula von der Leyen sich auf eine breite Mehrheit stützen will", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Der "nächste Test" stehe an, wenn das Europäische Parlament Ende Oktober über die gesamte EU-Kommission abstimmen werde, so Keller weiter.

Die CDU-Politikerin von der Leyen hatte vor einer Woche in einer geheimen Abstimmung mit 383 "Ja"-Voten nur neun Stimmen mehr erhalten als für eine Mehrheit nötig war. Wegen zahlreicher Abweichler in den Fraktionen von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen war sie auf die Unterstützung der rechtsnationalen PiS-Partei aus Polen sowie der populistischen italienischen Regierungspartei "Cinque Stelle" angewiesen. Die Grünen hatten - abgesehen von wenigen Abgeordneten aus Großbritannien - mit "Nein" gestimmt, nachdem sie von der Leyens Rede zwar gelobt, aber als zu wenig konkret kritisiert hatten.

Ihre Fraktion stünde "jederzeit bereit, um mit der neuen Kommissionspräsidentin konstruktiv für mehr Klimaschutz, Seenotrettung und Rechtsstaatlichkeit zusammenzuarbeiten", sagte Keller. Die Grünen wollten das Programm umsetzen, für das sie gewählt worden seien, und würden die künftige Agenda von der Leyens genau prüfen.

Als Basis für eine Kooperation zwischen Parlament und EU-Kommission könnte jenes Arbeitsprogramm dienen, über das die vier Fraktionen nach der Europawahl in fünf Fachgruppen beraten hatten. Als "äußerst wertvoll" hatte etwa EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU), dessen Spitzenkandidatur gescheitert war, die Arbeit der vier Fraktionen an der gemeinsamen Agenda bezeichnet.

Vergangene Woche hatte auch Dacian Cioloș, der Fraktionschef von Renew, in Straßburg betont, dass seine Gruppe an einer engen Partnerschaft mit der designierten Kommissionschefin interessiert sei; auch die Sozialdemokraten zeigen sich dafür offen.

In dieser Woche führt Ursula von der Leyen zudem Gespräche mit Staats- und Regierungschefs der EU. Am Dienstag traf sie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris und dankte ihm für seine Unterstützung ihrer Kandidatur. Am Donnerstag reist sie nach Polen. Auch ein baldiger Besuch in Kroatien ist fest eingeplant.

Neben der Konkretisierung des Arbeitsprogramms ihrer künftigen Kommission muss sie vor allem das dafür nötige Personal rekrutieren und die Zuständigkeiten verteilen. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 26. August Zeit, ihre Kandidaten für die EU-Kommission zu nominieren. Von der Leyen hat sich dazu verpflichtet, 50 Prozent der Ressorts mit Frauen zu besetzen; bisher wurden deutlich mehr Männer als Frauen für einen Posten als Kommissar nominiert.

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