Süddeutsche Zeitung

Türkische Regierung:Erdoğan erklärt deutschen Botschafter zu unerwünschter Person

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Der türkische Präsident will auch die Botschafter der USA und weiterer Staaten ausweisen lassen. Hintergrund ist die Forderung der Länder, den Kulturförderer Osman Kavala freizulassen.

Die Türkei hat die Botschafter Deutschlands, der USA und mehrerer anderer Staaten zu unerwünschten Personen erklärt. Er habe das Außenministerium dazu angewiesen, erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. "Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur "Persona non grata" zu erklären", sagte Erdoğan.

Hintergrund ist der Streit um Osman Kavala. Kavala, 63, Kunstmäzen, Intellektueller, Geschäftsmann und Förderer von Bürgerrechtsbewegungen und zivilgesellschaftlichen Projekten, ist seit Ende 2017 in der Türkei inhaftiert. Ihm werden die Finanzierung öffentlicher Proteste und die Beteiligung an einem Putschversuch vorgeworfen. Er weist die Anschuldigungen zurück. Ein rechtskräftiges Urteil steht bisher aus. Ein anfänglicher Freispruch im Zusammenhang mit den Protesten wurde später aufgehoben.

Der Fall Kavala steht symbolisch für die Verfolgung von Oppositionellen in der Türkei durch eine immer stärker von der Erdoğan-Regierung politisierte und gelenkte Justiz. Die Botschaften von Deutschland und neun weiterer Länder in Ankara hatten am Montag einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie mit Verweis auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Freilassung von Kavala forderten. Das türkische Außenministerium lud daraufhin die betreffenden Botschafter vor. Unter den einbestellten Diplomaten waren auch die der USA, Frankreichs und der Niederlande.

Zuvor hatte Erdoğan den Botschaftern bereits indirekt mit Ausweisung gedroht. "Wir können nicht den Luxus haben, sie in unserem Land willkommen zu heißen", sagte der türkische Präsident der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Steht euch zu, der Türkei so eine Lektion zu erteilen? Wer seid ihr schon?" Deutschland oder die USA ließen "Ganoven, Mörder und Terroristen" auch nicht einfach frei. Unklar ist nun, ob Erdoğans neueste Aussagen nun unmittelbar zu einer Ausweisung der Diplomaten von insgesamt zehn Ländern führen werden oder ob dafür ein weiterer .

Der EGMR hatte 2019 bereits Kavalas Freilassung gefordert. Die Türkei ignoriert das Urteil bislang, obwohl sie als Mitglied des Europarats eigentlich zur Umsetzung verpflichtet ist. Kavala ist mit 50 weiteren Oppositionellen angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, den Sturz der türkischen Regierung geplant zu haben. Das juristische Vorgehen gegen Kavala wirkt bizarr.

Vom ursprünglichen Vorwurf, er habe 2013 die wochenlangen Gezi-Proteste organisiert und finanziert, wurde er freigesprochen. Statt ihn aber freizulassen, erhob die Justiz am selben Tag erneut Vorwürfe. Kavala muss sich nun auch wegen der angeblichen Beteiligung am Putschversuch von 2016 und wegen angeblicher Spionage verteidigen.

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