Süddeutsche Zeitung

Entscheidung über Fiskalpakt und ESM:Karlsruhe muss sich selbst übertreffen

In der Frage um Fiskalpakt und ESM steht das Bundesverfassungsgericht vor einer schwerwiegenden Entscheidung. Die Anspannung zwischen Berlin und Brüssel entlädt sich juristisch in Karlsruhe - und das Urteil wird richtungsweisend für die Zukunft des Euro sein.

Heribert Prantl

In Karlsruhe sind schon viele schwierigen Entscheidungen getroffen worden. Die nun anstehenden zählen zu den schwierigsten, die dort je gefällt werden mussten: hie Euro, da Demokratie; hie Euro, da die souveräne Staatlichkeit Deutschlands - und dazwischen das Bundesverfassungsgericht. Die Anspannung, die in Berlin und Brüssel herrscht, entlädt sich juristisch in Karlsruhe. Schon das Vorspiel ist spektakulär.

Die Spannung ist noch größer als 1973, als die Verfassungsrichter über den deutsch-deutschen Grundlagenvertrag zu entscheiden hatten. Damals hat ein führender Sozialdemokrat, es soll Horst Ehmke gewesen sein, bei internen Beratungen geschimpft, dass "wir uns von den acht Arschlöchern in Karlsruhe nicht unsere Ostpolitik kaputtmachen" lassen. Der Vertrag wurde dann in Karlsruhe mit knapper Not genehmigt.

Wie diesmal (es geht um eine Europapolitik, die bei weitem nicht so klar ist wie seinerzeit die Ostpolitik) eine Entscheidung "mit knapper Not" aussehen könnte, ist schwer vorstellbar. Entscheidet sich das Gericht dafür, ESM und Fiskalpakt zu goutieren, setzt es sich in Widerspruch zu seinen bisherigen Urteilen in EU-Angelegenheiten. Stoppt es aber die Verträge, krepiert womöglich der Euro. Die Zeit, in der sich die Richter durch Korrekturen an den nationalen Begleitgesetzen aus der Affäre ziehen konnten, ist vorbei.

Die neuen Verträge führen Mechanismen und Institutionen ein, die komplett außerhalb nationaler Verantwortung und Beeinflussbarkeit liegen. Dies mit der Unantastbarkeit des demokratischen Prinzips und der staatlichen Souveränität in Einklang zu bringen, gleicht der Quadratur des Kreises. Karlsruhe wird sich selbst übertreffen müssen.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2012
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