Süddeutsche Zeitung

Duisburg: Loveparade-Katastrophe:Die Täter? Alle unbekannt!

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Der Veranstalter der Loveparade ist nicht "unbekannt", der Duisburger Bürgermeister ist nicht "unbekannt". Die Staatsanwaltschaft muss jetzt Namen nennen - und so endlich die Verantwortungslosigkeit in der Stadt beenden.

Heribert Prantl

Man mag schon fast Mitleid haben mit Adolf Sauerland. Er ist ein Bild des Jammers. Der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg muss sich am Tag der Trauerfeier verstecken. Er hat Angst vor seinen Bürgern, die um die toten Bürger trauern. Ein verdienter, bisher ordentlicher Oberbürgermeister hat auf entsetzliche Weise versagt. Aus einer rustikalen Autorität ist eine traurige, klägliche Figur geworden.

Sauerland, der seine Abwahl nun wohl akzeptieren will, hat womöglich eine Mitschuld am tödlichen Unglück; das muss noch genau geprüft werden. Aber an seinem eigenen Desaster nach der Katastrophe ist ganz allein er selbst schuld: Er hat die Worte nicht gefunden, die Gesten nicht und die Taten nicht, die notwendig gewesen wären. Er hat sich verstrickt in seinen eigenen Ängsten: den Ängsten vor den Folgen der Massenveranstaltung, für die er zumindest die politische und die organisatorische Verantwortung trägt; und der Angst vor dem Sturz in Hartz IV, den er befürchtet, wenn er zurücktritt. Sauerland ist ein Gefangener der Katastrophe, obwohl die Staatsanwaltschaft noch nicht einmal gegen ihn ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt. Unbekannt? Der Oberbürgermeister ist nicht "unbekannt". Und der Veranstalter der Loveparade heißt Rainer Schaller; er ist auch nicht "unbekannt". Beide geben fast täglich Exkulpationserklärungen ab, aber das ist kein Grund, nur Ermittlungen gegen Unbekannt zu führen. Bekannt sind auch der Chef des städtischen Ordnungsamtes, der Chef des Bauamtes, der polizeiliche Einsatzleiter. Bekannt sind die Chefs der privaten Ordnungsdienste. Es ist unlogisch, die Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt zu führen.

Diese Aktenführung passt zu der Duisburger Verantwortungsdiffusion nach dem Unglück. Niemand will Verantwortung tragen, jeder zeigt auf den anderen. Das UJs-Aktenzeichen, das Ermittlungen gegen unbekannte Täter kennzeichnet, ist ein Symbol dafür.

Es gilt, den Vorwurf zu personalisieren

Dabei sind die Vorschriften sehr klar: Sind bestimmte Personen zureichend verdächtig, so ist das Ermittlungsverfahren gegen sie zu führen. Sie müssen zu Beschuldigten gemacht werden - nicht weil das in der Öffentlichkeit ohnehin geschieht, sondern weil objektiv ein Anfangsverdacht besteht. Der Vorwurf lautet: fahrlässige Tötung.

Es gilt, diesen Vorwurf zu personalisieren. Womöglich zerlegt sich ja die Fahrlässigkeitsschuld in viele kleine Teile, die ganz vielen verschiedenen Personen zuzuordnen sind. Das aber ist erst eine Frage von Schuld und Strafe; die stellt sich vor Gericht. Erst einmal sind die vielen fahrlässigen Verantwortlichen Beschuldigte. Die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Oberbürgermeister könnte diesem sogar aus seinen Verstrickungen heraushelfen. Dann könnte er, dieser Ermittlungen wegen, sofort sein Amt ruhen lassen und die Wahrnehmung der Geschäfte auf seinen Stellvertreter übertragen. Kein Verwaltungsgericht würde etwas dagegen haben.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2010
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