Süddeutsche Zeitung

Impeachment:Der Präsident, das Unschuldslamm

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Trumps Verteidiger weisen die Vorwürfe gegen ihn zurück und wollen die Glaubwürdigkeit der Zeugen untergraben. Neue Fragen wirft ein Videomitschnitt von 2018 auf, in dem Trump den sofortigen Rauswurf der damaligen US-Botschafterin in Kiew fordert.

Von Hubert Wetzel, Washington

Mehr als 21 Stunden lang haben die Demokraten in der vergangenen Woche im US-Senat dargelegt, warum Donald Trump ihrer Ansicht nach des Amtes enthoben werden müsse. Am Wochenende begannen die Verteidiger des Präsidenten mit ihrem Gegenplädoyer. Trumps Anwälte begnügten sich dafür am Samstag zunächst mit zwei Stunden. In ihrem Vortrag bestritten sie, dass Trump die Ukraine zu Ermittlungen gegen den früheren Vizepräsidenten und heutigen demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden gedrängt habe, um sich bei der kommenden Wahl einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Das Impeachment sei vielmehr ein Versuch der Demokraten, den gewählten Präsidenten loszuwerden, den sie in einer Wahl nicht besiegen könnten.

Trumps Anwälte haben es mit ihrer Verteidigung einerseits nicht leicht. Die Demokraten haben einen mehr oder weniger wasserdichten Fall präsentiert, der Trump des Machtmissbrauchs sowie der Behinderung des Kongresses - so lauten die beiden Anklagepunkte - ziemlich schlüssig überführt. Andererseits steht Trump nicht vor einem normalen Gericht. Über Schuld oder Unschuld entscheiden die 100 Senatoren, von denen 53 wie Trump Republikaner sind. 20 von ihnen müssten zu den Demokraten überlaufen, um den Präsidenten mit der von der US-Verfassung geforderten Zweidrittelmehrheit schuldig zu sprechen. Aus politischer Sicht ist es daher so gut wie ausgeschlossen, dass Trump des Amtes enthoben wird.

Trotz der vielen Beweise gegen den Präsidenten folgten die Anwälte der Argumentationslinie Trumps, wonach er im Umgang mit der Ukraine absolut gar nichts falsch gemacht habe. So bestritten die Verteidiger zum Beispiel rundweg den Vorwurf der Demokraten, dass Trump, um Druck auf Kiew zu machen, ein Gipfeltreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij verzögert sowie die Auszahlung von fast 400 Millionen Dollar an US-Militärhilfe an Kiew vorübergehend blockiert habe. Zwischen dem Treffen, dem Geld und den Ermittlungen gegen Biden habe es keinen Zusammenhang gegeben, so Trumps Anwälte. Der Präsident habe lediglich sicherstellen wollen, dass US-Steuergeld nicht in der Ukraine in korrupten Kanälen verschwindet.

Zudem versuchten Trumps Anwälte, die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu untergraben, die während der Impeachment-Untersuchungen im Abgeordnetenhaus gegen den Präsidenten ausgesagt hatten. Die Demokraten hatten dort ranghohe Diplomaten und Regierungsmitarbeiter vernommen. Diese hatten bestätigt, dass Trump zusammen mit seinem Anwalt Rudy Giuliani versucht hatte, die Ukraine zu den Ermittlungen gegen Biden zu drängen. Allerdings gibt es bisher - und an diesem Punkt hakten am Samstag die Verteidiger ein - keine unwiderlegbare Bestätigung dafür, dass Trump tatsächlich persönlich die Militärhilfe und das Treffen mit Selenskij an die Ermittlungen gegen Biden geknüpft hat. "Kein einziger Zeuge" habe ausgesagt, dass der Präsident selbst ein derartiges Gegengeschäft angeordnet habe, sagte Michael Purpura, der Vizejustiziar des Weißen Hauses. Selbst der Zeuge, der in der Angelegenheit den engsten Kontakt zum Präsidenten hatte, der amerikanische EU-Botschafter Gordon Sondland, habe seiner eigenen Aussage zufolge nur "angenommen", nicht gewusst, dass Trump solche Anweisungen gegeben habe.

Dem Argument, Trump persönlich habe von den ganzen Vorgängen nichts gewusst, widersprechen allerdings Ton- und Videoaufnahmen, die am Wochenende bekannt wurden. Darauf ist zu hören, wie der Präsident bei einem Abendessen mit Spendern im April 2018 den sofortigen Rauswurf der damaligen US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, forderte. Sie soll sich den Bemühungen von Giuliani widersetzt haben, die Ermittlungen gegen Biden zu erzwingen. Yovanovitch wurde allerdings erst ein Jahr später aus Kiew abgezogen.

Die Demokraten argumentierten nach dem Vortrag der Verteidiger, dass die vielen offen Fragen es nötig machten, im Senat weitere Zeugen zu vernehmen, etwa Trumps früheren Sicherheitsberater John Bolton. Um das zu beschließen, wären allerdings 51 Stimmen nötig. Bisher haben sich keine vier Republikaner gefunden, die mit den Demokraten für die Vorladung neuer Zeugen votieren würden. An diesem Montag wollen Trumps Verteidiger ihr Plädoyer fortsetzen.

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SZ vom 27.01.2020
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