Süddeutsche Zeitung

Deutschland und der Krieg in Mali:Solidarität ja, Waffengang nein

Lesezeit: 3 min

Berlin lobt Frankreichs bewaffneten Einsatz in Mali - und betont zugleich, dass sich deutsche Soldaten keinesfalls daran beteiligen werden. Dieses Glaubwürdigkeitsproblem lässt daran zweifeln, ob Deutschland eine verlässliche Größe in Sachen internationaler Sicherheit ist. Will es das werden, muss es seine Kultur militärischer Zurückhaltung anders leben.

Ein Kommentar von Daniel Brössler

Wenn nun von Mali die Rede ist, weiß der Bundesaußenminister schon deshalb, wovon er spricht, weil er dem Land vor nicht einmal drei Monaten einen kurzen Besuch abgestattet hat. Mit einem Militärflugzeug ließ sich Guido Westerwelle Anfang November in die Hauptstadt Bamako fliegen, um vor einer deutschen Beteiligung an einer europäischen Ausbildungsmission für die malischen Streitkräfte die Lage zu sondieren.

Dabei mahnte er jenen "politischen Prozess" an, ohne den militärische Hilfe allein sinnlos sei. Zusammen mit dem Pochen auf eine "Kultur militärischer Zurückhaltung" ist dieses Einfordern eines politischen Prozesses zu einem Leitmotiv der Außenpolitik des Ministers geworden. Das Motiv zeigt insofern Wirkung, als die heimischen Beliebtheitswerte Westerwelles sich erholen. Als Handlungsanleitung stößt es, wie Mali zeigt, aber an Grenzen.

Das plötzliche Vorrücken der Islamisten gen Süden drohte dort eine Situation zu schaffen, in der ein politischer Prozess obsolet geworden wäre. Frankreich entschloss sich zum raschen Eingreifen und folgte dem Hilferuf aus Bamako. Zwar entsprach das nicht den Plänen von Präsident François Hollande, der sich für das Agieren in den früheren Kolonien mehr Zurückhaltung hatte auferlegen wollen. Unvorstellbar wäre für Frankreichs Führung indes gewesen, mit Verweis auf eine "Kultur militärischer Zurückhaltung" Mali den Islamisten zu überlassen.

Es ist dies der Punkt, an dem in Deutschland gerne Einspruch erhoben wird. Als unfair wird hierzulande angesehen, Deutschlands Bereitschaft zu militärischem Engagement an jenem von Ländern wie Frankreich oder Großbritannien zu messen. Und es stimmt: Deutschland hat eine andere Geschichte. Es stimmt nur nicht, dass die Sache damit erledigt wäre.

Die Bundesregierung hat das französische Eingreifen als richtig gewürdigt. Sie ist der Auffassung, dass von einem Sieg der Islamisten in Mali eine Gefahr für Europa und damit auch für Deutschland ausginge. Dass die Deutschen wieder einmal auf den Erfolg der Franzosen hoffen, weckt Erinnerungen an die Enthaltung im Fall Libyen. Damals wünschte die Kanzlerin den Bündnispartnern viel Erfolg. Grundsätzlich spricht sie zudem gerne über "Ertüchtigung", was oft Waffenexporte meint. Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass Deutschland in Sachen internationaler Sicherheit eine Größe sein mag, aber keine verlässliche.

Zumindest offenbart sich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Deutschland wird nämlich nicht von der Linkspartei regiert, die in ihrem Programm den Austritt aus den militärischen Strukturen der Nato postuliert und jedewede Beteiligung an UN-Militäreinsätzen ablehnt. Die Linke hält diese Einsätze grundsätzlich für falsch, woraus sich logisch für Afghanistan, Mali und jeden anderen bewaffneten Konflikt die Forderung nach einem Heraushalten Deutschlands ableitet. Alle anderen Bundestagsparteien hingegen vermeiden es, sich so grundsätzlich festzulegen. Sie müssen daher im Einzelfall erklären, warum Deutschland andere Länder für die internationale - also auch die deutsche - Sicherheit kämpfen lässt.

Die zwei Linien der Bundesregierung

Die Bundesregierung verfolgt hier zwei Linien. Zum einen erinnert sie an das vielfältige Engagement der Bundeswehr. 5800 deutsche Soldaten sind derzeit im internationalen Einsatz, insbesondere in Afghanistan. Zum anderen verweist sie auf die besondere Kompetenz Frankreichs in Mali. Beide Argumente sind an sich nicht falsch und dienen doch der Ablenkung von einer simplen Wahrheit: Nach den Erfahrungen in Afghanistan fürchtet die Bundesregierung jedwede Diskussion über eine neue Entsendung deutscher Soldaten dorthin, wo sie Kriegsteilnehmer werden könnten. Solidarität zeigt Deutschland nur dann gerne, wenn diese Gefahr real so wenig besteht wie bei der Patriot-Verschickung in die Türkei. Dahinter steht die wohl richtige Annahme, dass der Wähler - aktuell jener in Niedersachsen - alles andere bestrafen würde.

Deshalb also vollführt die Bundesregierung das Kunststück, die Franzosen einerseits zu loben und ihnen Solidarität zuzusichern, andererseits aber jedwede Beteiligung am Kampfeinsatz auszuschließen. Natürlich bietet die Bundesregierung humanitäre Hilfe an und nun immerhin auch logistische - auf keinen Fall aber mehr. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat oft betont, dass Deutschland seiner internationalen Verantwortung auch künftig werde gerecht werden müssen. Das aber wird nur dann möglich sein, wenn es seine Kultur militärischer Zurückhaltung nicht immer so versteht, dass andere Staaten militärische Aufgaben übernehmen und Deutschland sich zurückhält.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1573072
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.01.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.