Süddeutsche Zeitung

Demokraten gegen Trump:Eine Flut von Anhörungen

Lesezeit: 2 min

Von Hubert Wetzel, Washington

Nancy Pelosi hat ein Machtwort gesprochen. Auf absehbare Zeit werde es kein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump geben, ließ die Anführerin der Demokraten im US-Abgeordnetenhaus ihre Parlamentarier am Sonntag wissen.

Kurzfristig riskiert sie damit Streit in der eigenen Partei: Vor allem der linke Flügel fordert vehement ein sogenanntes Impeachment, nachdem der Sonderermittler Robert Mueller in seinem Bericht eine ganze Reihe von Fällen möglicher Justizbehinderung durch Trump dokumentiert hat. Auch einige demokratische Präsidentschaftskandidaten haben sich dem Ruf nach einem Amtsenthebungsverfahren inzwischen angeschlossen. Doch langfristig könnte sich Pelosis Strategie auszahlen. Denn de facto versucht sie, die politischen Vorteile eines Impeachments zu ernten, ohne dass die Nachteile ihrer Partei schaden.

Die Nachteile aus Pelosis Sicht: Ein Impeachment hätte praktisch keine Aussichten auf Erfolg. Zwar stellen die Demokraten im Abgeordnetenhaus die Mehrheit, sie könnten daher Anklage gegen Trump erheben, mit dem Ziel, ihn aus dem Amt zu entfernen. Darüber müsste dann allerdings der Senat entscheiden, den die Republikaner beherrschen. Um Trump tatsächlich abzulösen, müssten 20 republikanische Senatoren mit den Demokraten stimmen und den Präsidenten schuldig sprechen. Das wird nach jetziger Lage nicht passieren. Insofern wäre ein Amtsenthebungsverfahren zum Scheitern verdammt. Mehr als ein symbolischer Sieg bei der Anklageerhebung ist für Pelosi kaum erreichbar.

Zugleich aber könnte ein Impeachment den Demokraten politisch erheblich schaden. Auch nach der Veröffentlichung von Muellers Bericht sagt eine klare Mehrheit der Wähler in Umfragen, dass sie kein Impeachment wollen, welches das Land noch tiefer spalten würde. In Wahrheit würden sich wohl vor allem republikanische Wahlstrategen insgeheim über ein Amtsenthebungsverfahren freuen: Sie wissen, dass kaum etwas Trumps Anhänger bei der Präsidentschaftswahl 2020 so zuverlässig mobilisieren und die Partei so zusammenschweißen würde wie ein Impeachment.

Unterm Strich, so zumindest sieht es Nancy Pelosi, gibt es für ihre Partei bei einem förmlichen Amtsenthebungsverfahren also wenig zu gewinnen. Trump bliebe aller Voraussicht nach Präsident, Washington wäre gelähmt, die Wähler wären genervt - am Ende könnten die Demokraten im kommenden November nicht nur die Präsidentenwahl verlieren, sondern auch ihre erst 2018 zurückeroberte Mehrheit im Repräsentantenhaus.

Diesen Risiken stehen freilich Vorteile gegenüber, die ein Impeachment mit sich bringen könnte. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Wähler nicht von Trumps Unschuld überzeugt ist. Seine Umfragewerte sind nach der Veröffentlichung des Mueller-Berichts in einigen Erhebungen eher gesunken als gestiegen. Insofern ist es für die Demokraten verlockend, die Amerikaner weiterhin möglichst oft daran zu erinnern, dass der Präsident möglicherweise Muellers Ermittlungen zu seinen Russland-Kontakten während der Wahl 2016 behindert hat, auch wenn es damals keine verbotene Zusammenarbeit mit dem Kreml gab. Eine Möglichkeit, das zu tun, ist es, ehemalige und aktuelle Mitarbeiter Trumps sowie Mueller selbst vorzuladen und im Abgeordnetenhaus aussagen zu lassen.

Genau diese Strategie verfolgen Pelosi und die anderen führenden Demokraten im Repräsentantenhaus derzeit. "Wir können Trump durchleuchten, ohne eine Impeachment-Anklage zu erheben", sagte Pelosi am Sonntag in einer Telefonkonferenz mit ihrer Fraktion.

So wurde zunächst vom Justizministerium eine vollständige, ungeschwärzte Version des Mueller-Berichts angefordert. Zudem wurde Justizminister William Barr vorgeladen, der Trump bei einer Pressekonferenz vorige Woche mit einigen eher fragwürdigen Aussagen in Schutz genommen hatte. Eine weitere Vorladung wurde an Trumps früheren Justiziar im Weißen Haus, Donald McGahn, verschickt. Er ist in Muellers Bericht als Kronzeuge für einen großen Teil von Trumps zweifelhaftem Verhalten aufgeführt. Auch Mueller persönlich wurde vom Justizausschuss des Abgeordnetenhauses gebeten, in naher Zukunft auszusagen.

Angesichts dieser bevorstehenden Flut von Anhörungen fragen sich manche Beobachter in Washington, ob die Demokraten da nicht im Grunde ein Impeachment-Verfahren beginnen. Auch wenn sie aus taktischen Gründen noch vermeiden, es auch so zu nennen.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2019
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