Süddeutsche Zeitung

Darfur-Konflikt:Rückkehr der Reitermilizen

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45 überfallene Dörfer, 50 000 Vertriebene in zwei Wochen: Im Sudan flammt der Darfur-Konflikt wieder auf, doch die Gemengelage ist unübersichtlicher als noch vor fünf Jahren. Die UN-Schutztruppe Unamid sieht hilflos zu.

Von Ronen Steinke

Es war schon fast wieder ruhig geworden um die Darfur-Region im Westen Sudans. Fünf Jahre liegt es zurück, dass dort mehr als 2,5 Millionen Menschen vertrieben und mehr als 300 000 ermordet wurden, in einer gigantischen Kampagne, die auf dem Globus ihresgleichen suchte und die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen (UN) und den Internationalen Strafgerichtshof auf den Plan rief. Nun aber schlagen die UN erneut Alarm.

45 Dörfer seien von arabischen Reitermilizen überfallen worden, erklärte die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay. Häuser seien niedergebrannt, Marktplätze zerstört worden. Und dies nur 250 Kilometer südlich der Stadt El Fasher, wo die 20 000 Mann starke Friedenstruppe von Afrikanischer Union und UN, Unamid, ihr Hauptquartier hat. Nach Jahren der Beruhigung flackert der Konflikt wieder auf.

Und die Aussichten für 2014 sind düster. Denn es handelt sich nicht nur um eine Wiederholung von Altbekanntem, auch wenn Sudans Präsident Omar al-Bashir gerade seine alte Rhetorik wieder aufgewärmt und erklärt hat, er werde die Aufstände ein für allemal niederschlagen, "binnen 72 Stunden".

Lager zersplittern immer weiter

Die Gemengelage ist diesmal anders. Bisher gab es in Darfur im Wesentlichen zwei verfeindete Seiten; jetzt aber zersplittern sich die Lager immer weiter.

Einheimische, dunkelhäutige Gruppen hatten hier im Jahr 2003 begonnen, gegen die Herrschaft der arabisch dominierten Zentralregierung in Sudans ferner Hauptstadt Khartum zu rebellieren. Sudan war damals noch das größte Land Afrikas, größer als ganz Westeuropa. Allein die Darfur-Region ist anderthalb Mal so groß wie Deutschland - für die Menschen in Darfur ist die Zentralregierung und ihr Machtanspruch also weit weg. In Khartum antwortete die Regierung des Diktators Omar al-Bashir damals, indem sie arabische Reitermilizen ausrüstete, um die Aufstände zu ersticken.

Ihre Morde, Vergewaltigungen und Vertreibungsaktionen gegen die dunkelhäutige Bevölkerung verdienten nach Ansicht der UN die Bezeichnung Völkermord. Neu ist, dass sich jetzt die arabischstämmigen Gruppen auch gegenseitig bekämpfen.

Khartum erlebt einen wirtschaftlichen Niedergang, seit im Jahr 2011 die Öleinnahmen weggebrochen sind. Fast alle Ölfelder liegen nämlich im Süden - und der Süden Sudans musste 2011 in die Unabhängigkeit entlassen werden, als Staat Südsudan.

50 000 Vertriebene allein in den vergangenen zwei Wochen

Das hat im Norden neue Kämpfe um Land und Rohstoffe ausgelöst. "Was wir beobachten, ist ein Zerfall der bisherigen Machtstrukturen, eine Fragmentierung", sagt die Sudan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Annette Weber. Selbst die Treuesten der Treuen, wie der bisherige Statthalter Khartums in Norddarfur, wandten sich von der Zentralregierung ab und steckten ihre Macht selber ab. Freilich abermals auf dem Rücken der dunkelhäutigen Bevölkerung an der Peripherie.

In Darfur kämpfen jetzt mehrere Gruppen gegeneinander. Allein in den vergangenen zwei Wochen, seit Ende Februar, seien etwa 50 000 Menschen vertrieben worden, sagte UN-Hochkommissarin Pillay. Warum die UN-Schutztruppe Unamid nichts dagegen ausrichten konnte, erklärt Pillay damit, dass die Zentralregierung in Khartum sie am Zugang zu den Konfliktgebieten hindere.

Die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen hingegen, Samantha Power - bekannt als Verfechterin robuster Friedenseinsätze -, wandte gleich ein, es liege auch an Unamid selbst, sich diese Behinderungen nicht länger gefallen zu lassen. Die Truppe müsse sich viel stärker für den Schutz von Zivilisten einsetzen. Auch die Bundeswehr ist an der Mission mit zwölf Soldaten beteiligt.

Bürgerkrieg im Südsudan

Warlords, die das Land in immer kleinere Einheiten aufteilen: Diese Entwicklung macht derzeit nicht nur der wirtschaftlich angeschlagene Norden durch, sondern auch der ölreiche Südsudan. Bis vor Kurzem hatten die Bewohner dort noch ihre neu gewonnene Freiheit von Khartum genießen können. Doch seit drei Monaten wird im jüngsten Staat der Erde wieder gekämpft.

Es herrscht Bürgerkrieg zwischen zwei rivalisierenden Lagern. Die Warlords heißen Salva Kiir, Präsident; und Riek Machar, Ex-Vizepräsident. Einige besonders nah am Öl gelegene Städte wie Bor oder Malakal haben schon mehrmals zwischen ihnen hin und her gewechselt. Es wird von Massakern an der Bevölkerung berichtet, begangen von beiden Seiten.

So zerfällt das einst größte Land Afrikas auch im Süden in neue, verfeindete Territorien. Im Südsudan gehen Beobachter inzwischen davon aus, dass der Krieg nicht schnell vorbei sein wird, denn beide Kriegsparteien legen es auf eine Zermürbung des Gegners an, Friedensverhandlungen führen sie zwar, aber ohne großes Interesse. Das Jahr 2014 könnte für den Sudan wieder einschneidend werden.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2014
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