Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Geduld statt Panik

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Vieles, was das Virus aus China betrifft, ist unklar - und manches wird es auch bleiben, weil weder Wissen noch Sicherheit je absolut sein können.

Kommentar von Kathrin Zinkant

In Deutschland genießen die Menschen ein ziemlich hohes Maß an Sicherheit. Daran ändert sich auch nichts, nachdem nun die Epidemie aus China tatsächlich Bayern erreicht hat. Mehrere Menschen haben sich mit dem Coronavirus infiziert, jenem Erreger, der die Welt zunehmend in Atem hält. Solche Fälle waren erwartet worden, entsprechend rasch wurden die Kranken isoliert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versicherte gleich, dass Deutschland gut vorbereitet sei auf das Virus - kein Grund zur Panik! Das ist auch richtig so. Dennoch sollte man sich in der aktuellen Lage ein paar Dinge vergegenwärtigen.

Da ist vor allem die Ungewissheit, die Unsicherheit, die viele trotz der beruhigenden Worte empfinden. Dass es diese Ungewissheit gibt, ist allerdings völlig normal. Denn so berechtigt das Sicherheitsgefühl hierzulande sein mag, über das Virus und sein Verhalten ist noch immer nicht alles bekannt. Epidemiologen und Virologen studieren den Erreger zwar mit größtem Einsatz, sammeln Informationen über Infizierte und Krankheitsverläufe, untersuchen Verdachtsfälle und Kontaktpersonen. Sie lernen stetig dazu und nutzen ihr Wissen, um einzugrenzen, was bereits geschieht oder noch geschehen könnte. So könnten sich weltweit bereits 100 000 Menschen mit dem Erreger angesteckt haben - oder auch weniger, um die 10 000. Erste Studien und Analysen gehen davon aus, dass entweder zwei Menschen von einem Infizierten angesteckt werden, oder aber bis zu fünf.

Jene Menschen, die nun in Bayern als erste Fälle der Bundesrepublik bestätigt wurden, könnten also die Einzigen sein, die sich infiziert haben. Oder aber sie sind bloß die ersten Infizierten, bei denen Symptome auftraten - und deren Ansteckung deshalb auch bekannt wurde, während weitere Kontakte des chinesischen Gastes womöglich noch gar nicht vollständig erfasst worden sind.

Und dann ist da das Virus selbst und die Frage, wie genau es übertragen wird. Nur direkt, durch ausgehustete Tröpfchen, die eingeatmet werden? Oder auch über Hände und Gegenstände? Wie viele Menschen werden angesteckt, wenn die Überträgerin wie im aktuellen Fall zunächst keinerlei Symptome zeigt? Vieles ist unklar - und manches wird es bleiben, weil weder Wissen noch Sicherheit jemals absolut sein können. Dieser Umstand wird leicht vergessen, wenn man hohe Standards gewohnt ist. Aber in der jetzigen Situation muss und kann die Ungewissheit ausgehalten werden.

Keine Panik also, aber mehr noch: Geduld. Mit wachsendem Wissen werden die Maßnahmen angepasst. Selbst unvollständige Kenntnisse über den Erreger erlauben es, dem Virus zu trotzen. Und wer dennoch besorgt bleibt, weil es keine Medikamente gegen die neue Krankheit gibt oder weil es Jahre dauern könnte, bis ein wirksamer Impfstoff verfügbar ist: Es ist womöglich ein guter Zeitpunkt, um seinen Impfstatus grundsätzlich zu überprüfen und sich vor Krankheiten zu schützen, die sich tatsächlich in Deutschland ausbreiten. Die Masern sind immer ein gutes Beispiel. Und in dieser Saison sind hierzulande bereits mehr als 13 000 Menschen an der Grippe erkrankt und 32 sogar gestorben. Eine Immunisierung ist noch immer möglich. Vor dem neuen Virus schützt sie nicht. Aber sie erhöht die Sicherheit, die ein Geschenk ist - und doch nie perfekt sein kann.

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SZ vom 29.01.2020
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