Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Feiern und lüften im Verkehrsministerium

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Ein Staatssekretär stößt im Ministerium von Andreas Scheuer mit Mitarbeitern an - ohne Abstand oder Masken. Damit bringt er das Haus in Argumentationsnot.

Von Markus Balser, Berlin

In der Nacht zum 23. März, zehn Tage vor Ostern, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Deutschen in einer Pressekonferenz noch eindringlich vor einer "neuen Pandemie" gewarnt. Bundesregierung und Ministerpräsidenten waren wegen hoher Corona-Ansteckungszahlen äußerst alarmiert. Die Notbremse reiche nicht mehr aus, verschärfte Kontaktbeschränkungen müssten nun angewendet werden, forderte die Kanzlerin nach einer Marathon-Sitzung mit den Länderchefs. Das Ziel sei, die dritte Welle zu brechen. Maximal fünf Personen, höchstens zwei Haushalte, mehr gehe gerade einfach nicht, so die Kanzlerin.

Angesichts dieser Forderung tat sich im Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) am Abend danach Erstaunliches. Denn ein hochrangiger Beamter des Ressorts gab nach Angaben aus Ministeriumskreisen trotz aller Mahnungen und Warnungen wenig auf die Corona-Regeln der eigenen Regierung.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fand im Büro von Staatssekretär Michael Güntner an diesem Tag eine alles andere als coronakonforme Feier statt. Mindestens zu sechst ließen sich Güntner und enge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wein, andere Getränke und offenkundig geliefertes Essen schmecken - ohne Mindestabstand und Masken. Ein Foto, das das Treffen dokumentiert, liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Auch in Teilen des eigenen Ministeriums war man erstaunt über die so fröhliche wie sorglose Runde im Führungstrakt. Denn im Ministerium hält man sich andernorts strikt an Home-Office-Vorgaben und die von der Regierung selbst in einer Arbeitsschutzverordnung festgeschriebenen Vorgaben. Vorgesehen ist seit Januar etwa am Arbeitsplatz die "Vermeidung von Personenkontakten durch die Umsetzung des Mindestabstands von 1,5 Metern". In vielen Ressorts der Regierung gilt äußerste Corona-Vorsicht im Büro. Manche Ministerien ziehen inzwischen gar Plexiglasscheiben zwischen Arbeitsplätzen ein, wenn der Mindestabstand nicht reicht.

"Es war ein Fehler", räumt Güntner ein

Auf dem Foto aus dem Bundesverkehrsministerium ist von solcher Vorsicht jedoch nichts zu sehen. Mitarbeiter prosten eng nebeneinandersitzend in die Kamera - Güntner sitzt in ihrer Mitte. Im Ministerium versuchte man zunächst noch zu retten, was kaum zu retten war. "Es handelte sich um ein Treffen im engsten Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Büros, die ohnehin täglich unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln zusammenarbeiten", teilt das Ministerium auf eine erste Anfrage hin mit. "Selbstverständlich wurde auch bei diesem Treffen regelmäßig gelüftet und auf Abstand geachtet." Zunächst klang es, als sei alles mit rechten Dingen zugegangen.

Erst auf eine weitere Nachfrage räumt Güntner selbst ein, dass es so nicht war. "Ich habe mich mit einem Essen bei den engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Büros bedankt, denn sie unterstützen mich tagtäglich sehr", antwortet der Staatssekretär am Freitagvormittag. "Dabei muss ich einräumen, dass wir beim Essen nicht ausreichend Abstand gehalten haben. Das tut mir sehr leid und dafür bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung", erklärt Güntner nun.

Der 47-Jährige ist erst seit 2019 Scheuers Staatssekretär. Der promovierte Jurist hatte seine Karriere in der Bundesverwaltung schon 2004 im Innenministerium gestartet. Mit Vorgaben im Krisenfall kennt er sich eigentlich aus. Seine erste Stelle: Referent im Referat für Zivil- und Bevölkerungsschutz des BMI. Im Verkehrsministerium ist Güntner derzeit unter anderem für Fernstraßen, Wasserstraßen und die Eisenbahn zuständig.

Güntner zog aus dem Vorgang am Freitag Konsequenzen. Er selbst habe den Vorgang der zuständigen Behörde in Berlin mitgeteilt, erklärte er weiter. "Es war ein Fehler."

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