Süddeutsche Zeitung

Christchurch:Neuseeland hat sich durch die Tat verändert

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Von Jacqueline Lang, München

Fast auf den Tag drei Monate ist es her, dass Brenton T. im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordet hat - und ein Millionenpublikum live über Facebook dabei zusehen ließ. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter, einen australischen Rechtsextremisten, beginnt an diesem Freitag in Christchurch. Bei einer Verurteilung erwartet ihn eine lebenslange Haft.

Bereits Anfang April war der 28-Jährige formal wegen Mordes in 50 Fällen und versuchten Mordes in 39 Fällen angeklagt worden. Nachdem sich der Angeklagte in der Zwischenzeit einer gesundheitlichen Untersuchung unterzogen hat, wird es zu Beginn der Verhandlungen zunächst um die Frage gehen, ob er in vollem Umfang schuldfähig ist. Brenton T. wird voraussichtlich nicht selbst vor Gericht erscheinen, sondern aus dem Gefängnis per Liveübertragung zugeschaltet.

Laut Berichten der Zeitung The New Zealand Herald wird die Staatsanwaltschaft die bereits bestehende Anklage noch um einen weiteren Mord sowie zwei zusätzliche versuchte Morde ergänzen. Erstmalig soll außerdem ein Gesetz zum Einsatz kommen, das 2002 nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA verabschiedet worden ist. Mit dessen Hilfe soll Terrorismus im In- und Ausland besser bekämpft werden können.

Lange glaubten sich die Menschen in Neuseeland sicher

Es ist ein Prozess, der mit Spannung erwartet wird. Egal aber, wie er am Ende ausgeht: Neuseeland hat sich durch die Tat verändert. Lange glaubten sich die Menschen in diesem Land sicher. Doch mit dem Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch kam die Angst auf den Inselstaat.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern zeigte damals beispielhaft, dass sie solch einen Akt "beispielloser Gewalt" nicht tolerieren wolle. "It has no place in New Zealand", so etwas hat keinen Platz in Neuseeland, twitterte sie bereits Stunden nach der Tat. Bei den Trauerfeierlichkeiten zollte sie mit einem schwarzen Kopftuch den muslimischen Opfern ihren Respekt. "Wir sind alle eins", sagte sie. Weltweit bekam sie für diese Geste viel Anerkennung.

Ardern versprach aber nicht nur Unterstützung für die Familien der Verstorbenen, sondern sie sicherte auch zu, das Waffenrecht umgehend zu verschärfen: "Unsere Welt hat sich für immer verändert. Deshalb werden sich auch unsere Gesetze ändern." Sie hielt ihr Wort: Nur knapp einen Monat nach der Tat stimmte das neuseeländische Parlament nahezu einstimmig für ein Verbot von halb automatischen Waffen, wie sie der Täter verwendet hatte.

Doch trotz den Bemühungen von Ardern und vielen anderen, ein klares Zeichen gegen Rassismus und für eine freiheitliche Gesellschaft zu setzen, fühlen sich offenbar Sympathisanten des Attentäters auch ermutigt durch den Anschlag: Nur wenige Tage nach der Tat im März wurde Brenton T. als "Held" im Netz gefeiert, dieselben Menschen wünschten weiteren Muslimen den Tod. Anfang Juni wurden in der Hafenstadt Tauranga anonyme Flyer mit rechtsextremem Inhalt verteilt, ebenfalls Anfang Juni wurde ein seit Jahren in Neuseeland lebender Inder von drei Männern mit einem Auto verfolgt und zusammengeschlagen. Laut Medienberichten war der Mann nach Neuseeland ausgewandert in dem Glauben, "es sei der sicherste Ort der Welt". Kritiker fordern deshalb, die Regierung müsse noch entschiedener gegen Rassismus vorgehen.

Ein Zeichen gegen rechts will auch die regierungsunabhängige Organisation Shakti setzen: Die NGO, die sich seit Jahren für die Belange von Flüchtlingen einsetzt, veranstaltet am Freitag in Neuseeland eine Konferenz "für eine Gesellschaft frei von Vorurteilen, Rassismus und auf Hass basierter Kriminalität".

Auf die Frage nach dem Grund für die Konferenz sagte Farida Sultana, die Gründerin von Shakti, dem The New Zealand Herald: "Wir denken, wir sind weit weg von allem. Aber was auf der ganzen Welt passiert, betrifft auch uns." Das habe das Massaker in Christchurch mehr als deutlich gezeigt. So schrecklich er auch gewesen sei, der Terroranschlag habe letztlich auch Raum geschaffen für einen Dialog, hofft Farida Sultana.

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SZ vom 14.06.2019
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