Süddeutsche Zeitung

CDU-Spitzenkandidat in NRW:Warum die Debatte um Röttgen unfair ist

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Blüm versuchte es einst in der Landespolitik und musste zurück. Das gleiche Schicksal droht jetzt Bundesumweltminister Röttgen - und viele fordern, dass er sich zwischen Bund und Land entscheidet. Doch sie stellen Röttgen vor eine unfaire Alternative.

Bernd Dörries

Als Norbert Blüm 1990 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden wollte, zog er wahlkämpfend durch das Land und erzählte von seinen Plänen. Die Menschen aber fragten ihn nur, ob die Rente sicher sei, und ob er auch nach einer Niederlage in Düsseldorf bleiben würde. Blüm verlor und ging zurück in die Bundespolitik. Er blieb der Kandidat auf der Durchreise.

Das gleiche Schicksal blüht jetzt Umweltminister Norbert Röttgen. Das Land debattiert nicht über die richtige Finanzpolitik oder darüber, wie man dem Ruhrgebiet helfen kann. Die wichtigste Frage scheint zu sein, ob Röttgen auch die Opposition anführt, wenn er die Wahl verliert. Aus dem Mund mancher klingt es, als solle er schon mal seine gerechte Strafe akzeptieren: den Gang in die Provinz.

Dass diese Debatte mit solcher Intensität geführt wird, liegt auch an dem unguten Gefühl, das manche mit Röttgen verbinden. Es könnte nämlich sein, dass da einer ist, dem es vor allem um sich selbst geht, für den die Macht in Nordrhein-Westfalen nur eine Etappe ist auf dem Weg ins Kanzleramt. Röttgen verstärkt den Eindruck, indem er unterschiedliche Versionen seiner Pläne verbreitet. Als er vor einem guten Jahr um das Amt als Landeschef kämpfte, da sagte er: Ja, ja, natürlich könne er sich vorstellen, Oppositionsführer zu werden, wenn die Partei dies wünsche. Jetzt, da sich Teile der Partei genau dieses Bekenntnis wünschen, weicht er aus. Röttgen denkt in dieser Sache zuerst an Röttgen.

Für SPD und Grüne ist seine offene Karriereplanung ein Geschenk. Aber: Viele derer, die nun sagen, er müsse sich entscheiden zwischen Bund und dem Land, haben noch vor kurzem Renate Künast verteidigt, die sich vor der Wahl zum Berliner Senat klar gegen die Oppositionsrolle entschieden hatte. Heute sprechen sie von einem Fehler. Auch Röttgen würde seine Chance erhöhen, wenn er sich zum Vollzeitherausforderer von Hannelore Kraft erklärte.

Was aber würde all das für Nordrhein-Westfalen bedeuten? Gar nichts. Röttgen würde durch den Wechsel nicht zu einem anderen Menschen. Eine Spitzenkandidatur bei einer Landtagswahl ist auch keine eheähnliche Verbindung, in der man die Treue schwören muss, in guten wie in schlechten Zeiten. Und wieso sollte einer, dem die Wähler nicht zutrauen, ein guter Ministerpräsident zu sein, zwingend ein guter Oppositionschef sein? Seltsame Logik. Ein Bewerber für einen Vorstandposten muss ja auch nicht im Vorstellungsgespräch versichern, dass er selbstverständlich auch wahnsinnig gerne Abteilungsleiter werden würde, wenn es mit dem Chefposten nicht klappt.

Es ist gut, dass in der Politik andere Maßstäbe gelten. Röttgen wird aber vor eine unlautere Alternative gestellt. Es steht hier nicht zur Debatte, ob ihm das Fortkommen des Landes wichtiger ist als sein eigenes Schicksal. Das sollten auch all jene beherzigen, die sich zur Zeit mehr um den Kandidaten sorgen als um die Probleme Nordrhein-Westfalens.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2012
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