Süddeutsche Zeitung

Debatte um Flüchtlingspolitik:Parteiinterner Gegenwind für Spahn

Lesezeit: 3 min

In der Diskussion über den geplanten UN-Migrationspakt stößt Gesundheitsminister Jens Spahn in der CDU auf Kritik mit seinem Vorschlag, über eine deutsche Zustimmung erst noch auf dem Parteitag im Dezember zu diskutieren. Mehrere christdemokratische Politiker wiesen die Idee des Kandidaten um den CDU-Vorsitz zurück, das internationale Dokument notfalls später zu unterschreiben.

Mit dem "Globalen Pakt für Migration" wollen die Vereinten Nationen erstmals Grundsätze für den Umgang mit Flüchtlingen festlegen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte der Bild-Zeitung: "Die Unterzeichnung des Migrationspakts notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf." Der Pakt sei auch "ein enorm wichtiger erster Schritt der internationalen Gemeinschaft, Migration zu steuern".

Auch der außenpolitische Fraktionssprecher Jürgen Hardt (CDU) wies Bedenken zurück. "Diffuse Ängste werden geschürt und Menschen werden verunsichert", sagte er der Welt. Niemand aus den demokratischen Parteien solle sich für so etwas hergeben.

Vizefraktionschef Stephan Harbarth (CDU) sagte der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung: "Es gibt keine Veranlassung, etwas an dem vorgesehenen Zeitplan für den UN-Migrationspakt zu ändern." Der Deutsche Bundestag werde Ende November den Antrag verabschieden, durch den er sich eindeutig positioniere und der Bundesregierung Rückendeckung gebe.

CDU-Vizechef Thomas Strobl sagte der Bild: "In der Partei um den richtigen Weg zu ringen, ist grundsätzlich immer vernünftig." Der Innenminister von Baden-Württemberg fügte aber mit Blick auf den Pakt hinzu: "Ich bin sehr dafür, dass wir für ihn werben - und absolut dagegen, dass wir aus Furcht vor der irreführenden AfD-Kampagne auch nur einen Teilrückzug vollführen."

Politiker der AfD, aber auch Identitäre oder in Österreich die FPÖ lehnen die Vereinbarung ab. Sie sind der Ansicht, er entziehe den Staaten die Kontrolle über die Zuwanderung und gebe sie einem ideologisch geprägten Masterplan preis, Armutsflüchtlinge umzusiedeln und alle Kulturen bis zur Unkenntlichkeit zu vermischen.

Auch in der Union gibt es allerdings Vorbehalte gegen den Migrationspakt. So stellte sich Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) hinter die Forderung Spahns nach einer parteiinternen Debatte. "Er hat Recht und hat meine Unterstützung", sagte Linnemann am Montagmorgen dem RBB-Inforadio. Die aktuelle Diskussion erinnere ihn an die über das Freihandelsabkommen TTIP. Auch da habe es im Vorfeld nicht genug Transparenz gegeben, deshalb sei das Abkommen gescheitert. "Auch hier habe ich den Einruck, bis dato zumindest, dass die Debatte im Keim erstickt wurde", sagte Linnemann.

Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt hatte auf einem Parteitag am Wochenende die Bundesregierung aufgefordert, ihn abzulehnen.

Ramsauer spricht von Unbehagen

Auch der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Entwicklungshilfe, Peter Ramsauer (CSU), will den UN-Pakt "nicht mittragen". "Durch das gesamte Dokument zieht sich eine Haltung, Migration als etwas Normales und gar Wünschenswertes anzusehen", sagte er der Welt. "Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland Tür und Tor." Das Unbehagen werde in der Unionsfraktion und der CSU-Landesgruppe "auf breiter Front" geteilt.

Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU hat den Pakt aber bereits gebilligt. Der CDU-Parteitag, auf dem Spahn das Thema debattieren will, findet am 7./8. Dezember statt - nur wenige Tage vor dem geplanten Unterzeichnungsgipfel am 10./11. Dezember.

Kanzlerin Angela Merkel ist ebenso wie der Koalitionspartner SPD für ein klares Ja. Merkel sieht in dem Pakt einen Testfall, ob überhaupt noch multilaterale Vereinbarungen geschlossen werden können. "Entweder schaffen wir es, gemeinsame globale Lösungen zu erarbeiten, Schritt für Schritt, manchmal zu langsam - oder aber auch nicht", sagte die Bundeskanzlerin am Sonntag bei einem Auftritt mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Berlin.

Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, nur mit internationaler Zusammenarbeit werde es möglich sein, Migration zu bewältigen und zu steuern. "Der UN-Migrationspakt schafft nun erstmals einen rechtlich nicht verbindlichen, aber gemeinsamen Rahmen für eine solche internationale Zusammenarbeit."

Und FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" über Spahns Vorstoß: "Völliger Unsinn. Jens Spahn hat Panik, weil Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz vorne liegen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4217042
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ .de/AFP/dpa/Reuters
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.