Süddeutsche Zeitung

CDU setzt auf die Heimat:Zurück zur traditionellen Klientel

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In den fünf größten deutschen Städten regieren jetzt Sozialdemokraten - nun wendet sich die Union wieder stärker ihrer traditionellen Klientel zu. "Starkes Land - gute Heimat" heißt das neue Programm und beinhaltet neben Unterstützung von Seniorendiensten und Förderung der Kinderbetreuung auch das umstrittene Betreuungsgeld.

Robert Roßmann, Berlin

Über die "Tagesschau" und ihre Themen ist viel geschrieben worden. Heerscharen von Kommunikationswissenschaftlern hat die Frage umgetrieben, ob die Nachrichtensendung sich tatsächlich mit dem beschäftigt, was die Menschen beschäftigt. Wer da schon immer seine Zweifel hatte, durfte sich in den vergangenen Wochen durch Angela Merkels "Zukunftsdialog" bestätigt fühlen. Nach dem Vorbild der amerikanischen Townhall Meetings hatte die Kanzlerin Bürger in ganz Deutschland eingeladen, über ihre Probleme und Wünsche zu reden. Doch wer heftige Debatten über den Euro, Griechenland, Syrien oder die Piraten erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Wünsche konzentrierten sich meistens auf das, was in der Politik "die Förderung des ländlichen Raums" heißt: ein besserer Nahverkehr, mehr Geld für die örtlichen Schulen und Kindergärten, Hilfen für die Ehrenamtlichen zu Hause und Maßnahmen gegen die allgegenwärtige Landflucht.

Zumindest diese Bürger dürfte die CDU mit ihrem neuen Programm "Starkes Land - gute Heimat" jetzt erfreuen. Am Montag will der Bundesvorstand das 27-seitige Papier voller Versprechen für den ländlichen Raum verabschieden. Es ist eine Art politische Schubumkehr der CDU. Nach den Städten rückt nun wieder das Land in den Fokus der Partei.

Jahrzehntelang hat sich die CDU bemüht, auch in den Großstädten Fuß zu fassen. Die örtlichen Verbände wurden modernisiert, vermeintliche Frauenthemen auf einmal ernst genommen, das Verhältnis zu den Grünen wurde begradigt, die Kultur- und Gesellschaftspolitik entstaubt. Dabei konnte die Partei beachtliche Erfolge einfahren: In Frankfurt, Hamburg und Köln kamen CDU-Bürgermeister an die Macht, überall halfen ausgerechnet die ehedem verfemten Grünen der Union beim Regieren. Die Zukunft der CDU lag auf einmal in den Metropolen - so schien es.

Denn der Traum von den konservativen Großstädten ist mittlerweile geplatzt. 2009 fiel Köln an die SPD, 2011 Hamburg - und von Juli an wird auch Frankfurt von einem Sozialdemokraten regiert. In München und Berlin herrschen Christian Ude und Klaus Wowereit - Deutschlands Big Five sind damit allesamt rot.

Mit dem neuen Heimatprogramm will die CDU jetzt ihre traditionelle Klientel wieder besser pflegen. Bei der letzten Bundestagswahl erzielte die Union in den Orten bis 5000 Einwohner fast 40 Prozent der Stimmen, in den Großstädten kam sie gerade einmal auf 26,8 Prozent. Jeder zweite Deutsche lebe im ländlichen Raum, heißt es in dem neuen Papier. Der demographische Wandel treffe diese Region "früher und härter" als die städtischen Ballungsräume, deren Geburtendefizit oft noch durch Zuzug ausgeglichen werde. Als Kommunalpartei müsse sich die CDU damit besonders befassen.

Dann folgt ein ganzes Potpourri an Ankündigungen. Die CDU will Seniorendienste besser unterstützen und die Kinderbetreuung stärker fördern. Frauen sollen dabei "gezielt als Existenzgründerinnen" gewonnen werden. Außerdem sollen die "Chancen der erneuerbaren Energien für den ländlichen Raum" genutzt werden. Schließlich gebe es nur dort die Flächen für die nötige Nutzung von Wind- und Sonnenkraft. Dies gelte auch für die Produktion von Bioenergie. Außerdem sollen die "Rahmenbedingungen für den Landtourismus" verbessert werden.

Der ländliche Raum sei als Wirtschaftsstandort attraktiv, weil Unternehmen hier "hochmotivierte Mitarbeiter" mit starker Identifikation zur Firma fänden, findet die CDU. Er könne auch für

qualifizierte Zuwanderer" interessant werden. Dafür sei aber eine "Willkommenskultur" unverzichtbar. Wichtig seien auch leistungsfähige Breitbandverbindungen. Bis zum Jahr 2014 sollen drei Viertel aller Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von 50 Megabit pro Sekunde erhalten. Die CDU will die Zahl der Landärzte erhöhen und den Nahverkehr verbessern. Wegen des Rückgangs der Einwohner- und Schülerzahlen müsse es dabei erhebliche Änderungen geben, schreiben die Christdemokraten. Entlegene Orte könnten etwa durch Seniorentaxen, internetgestützte Car-Sharing-Systeme oder Kombibusse angebunden werden, die neben Personen auch Pakete und andere Güter transportieren. Voraussetzung für ein positives Heimatgefühl sei Sicherheit: "Die CDU setzt sich deshalb für eine bürgernahe Polizei ein, die sofort vor Ort erreichbar und schnell am Ort des Geschehens ist."

Wichtiger Bestandteil des Heimatprogramms ist auch das umstrittene Betreuungsgeld. "Gerade auf dem Land entscheiden sich viele Eltern dafür, ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause selbst zu betreuen", heißt es in der Vorlage. "Ihr Familienmodell hat unseren Respekt und unsere Unterstützung. Wir werden deshalb ab dem Jahr 2013 als zusätzliche Anerkennungs- und Unterstützungsleistung ein Betreuungsgeld in Höhe von zunächst 100 Euro für das zweite und ab dem Jahr 2014 von 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes einführen." Weil gerade auf dem Land oft nahe Verwandte Verantwortung in der Kinderbetreuung übernähmen, wird in dem Papier auch die Einführung einer Großelternzeit "analog zur dreijährigen Elternzeit" versprochen.

Zumindest mit dem Betreuungsgeld und der Großelternzeit wird es das neue CDU-Heimatprogramm am Montag dann wohl auch zwischen die Syrien-Meldungen der "Tagesschau" schaffen.

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SZ vom 13.04.2012
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