Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Whistleblower darf vorerst Soldat bleiben

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Von Ronen Steinke, Berlin

Das Bundesverteidigungsministerium hat die geplante unehrenhafte Entlassung des Whistleblowers Patrick J. vorerst gestoppt. Das geht aus einem Schreiben des Personalamts der Bundeswehr hervor, das die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte. Demnach setze man "den Vollzug" der Entlassung "bis auf Weiteres aus". Der 30 Jahre alte Unteroffizier Patrick J. hatte so viele vertrauliche Hinweise auf rechte Umtriebe abgegeben wie noch kein Bundeswehrsoldat zuvor. In den vergangenen Monaten hatte er auf eigene Initiative ein Dossier mit rechtsradikalen oder vermeintlich rechtsradikalen Äußerungen von mehr als einhundert seiner Kameraden angelegt und dem Geheimdienst der Truppe, dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), übergeben.

Interne Ermittlungen nur in neun Fällen

Nach SZ-Informationen haben nur die wenigsten der Hinweise von Patrick J. bisher bundeswehrinterne Ermittlungen ausgelöst. Viele Vorwürfe waren aus Sicht des MAD zu dünn. In neun Fällen allerdings ist der MAD durch die Mitteilungen von Patrick J. tatsächlich zu Ermittlungen veranlasst worden. Zum Beispiel hatte der Whistleblower dokumentiert, wie sich ein Stabsunteroffizier im Internet mit Rechtsextremisten vernetzte, die das KZ Auschwitz mit Legosteinen nachbauten. Bei einem Oberstabsgefreiten entdeckte er Facebook-Kontakte zu sogenannten Reichsbürgern. Im Netz schrieb dieser Bundeswehrsoldat: "Wir sind eh alle Staatenlos."

Das Personalamt der Bundeswehr wollte Patrick J. ursprünglich mit der Begründung entlassen, es fehle ihm an der "charakterlichen Eignung". Zahlreiche seiner Vorwürfe gegen Kameraden seien "übertrieben und haltlos". Auch hätten sich inzwischen Kameraden ihrerseits über Patrick J. beschwert, weshalb er wegen "Missbrauchs der Befehlsbefugnis" zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt worden sei. Patrick J. hat allerdings gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt. Das Bundesverteidigungsministerium, dessen Staatssekretär Gerd Hoofe (CDU) sich in der vergangenen Woche mit Patrick J. getroffen hatte, wollte sich auf SZ-Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Hoofe verwies auf den Datenschutz.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2019
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