Süddeutsche Zeitung

Bundesrat diskutiert Atomausstieg:Länder wollen Energiewende mittragen

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Die Ministerpräsidenten von Union und SPD sind mit dem schwarz-gelben Atomausstieg bis 2022 grundsätzlich einverstanden, allerdings gibt es noch einige offene Punkte. Kritisiert wird vor allem die Kaltreserve - die sei teuer und gefährlich, heißt es auch in einer neuen Greenpeace-Studie.

Die Ministerpräsidenten von Union und SPD tragen die schwarz-gelbe Energiewende und den Atomausstieg bis 2022 grundsätzlich mit. Die geschlossene Front der Länder sei wichtig, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Bundesrat. Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die einer rot-grünen Landesregierung vorsteht, erwartet eine Einigung. "Wenn das Angebot der Bundesregierung ernst gemeint ist, dann werden wir am Ende einen Konsens miteinander erzielen", sagte die SPD-Politikerin. Allerdings gebe es noch "einige offene Punkte".

Die Länderkammer befasste sich erstmals mit dem umfangreichen Gesetzespaket der Regierung zur Energiewende. Entscheidungen stehen bei diesem ersten Durchgang noch nicht an, sondern erst in der Sitzung am 8. Juli. Einige zentrale Punkte, etwa bei der Gebäudesanierung und dem Bau von Windparks, müssen aber noch mit der Bundesregierung geklärt werden. Zum schnelleren Ausbau der Stromnetze sind die Länder inzwischen aber bereit, dem Bund mehr Kompetenzen abzugeben.

"Wir sind der Auffassung, dass mit diesem neuen Energiekonzept eine entscheidende energiepolitische Weichenstellung für Deutschland vorgenommen wird", warb der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) im Bundesrat. Es gebe die Chance für einen Konsens, dies erfordere allerdings eine nationale Kraftanstrengung. Die Ziele des Energiepaktes seien allerdings nur dann zu erreichen, wenn der Bau neuer konventioneller Kraftwerke und der Ausbau neuer Stromnetze beschleunigt würden. "Niedersachsen sieht vor allem weitere Ausbaupotenziale im Bereich der Windenergie", sagte er.

Mehrere Ministerpräsidenten betonten, der schrittweise Atom-Ausstieg bis 2022 müsse unumkehrbar sein. Seehofer warb hat für einen dauerhaften und unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernkraft. Die anstehende Entscheidung müsse "ohne Hintertürchen" sein, erklärte er. Die Industrie brauche Planungssicherheit: "Es geht um Milliarden von Investitionen." Bayern sei offen für eine neue Endlager-Suche für Atommüll. "Wir sind bereit, an Alternativen der Endlagerung mitzuwirken", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) warnte vor den finanziellen Folgen des Atomausstiegs. "Wir brauchen ein klares Signal, dass die Länderhaushalte nicht mit Entschädigungspflichten und Haftungsrisiken konfrontiert werden", sagte er.

SPD-Politikerin Kraft lobte die Konsens-Initiative von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), forderte aber mehr Ehrgeiz der schwarz-gelben Regierung beim Ökostromausbau. "Es kann doch nicht sein, dass wir bei den 35 Prozent (bis 2020) bleiben." Auch sollte die bereits auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockte Förderung der Gebäudesanierung nochmals auf fünf Milliarden erhöht werden. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen hat Einigungswillen bei den Gesetzen zum Atomausstieg signalisiert. Ein Konsens über Parteigrenzen hinweg sei "von überragendem Wert".

Zuvor hatten bereits die Spitzen der Grünen und der SPD Zustimmung zum schwarz-gelben Atomausstieg signalisiert, auch sie hatten aber einige Verbesserungen gefordert. Die Energiekonzerne hatten angekündigt, alte Atomkraftwerke nicht wieder hochfahren zu wollen, obwohl das bis Mitte Juli rechtlich möglich wäre.

Kritik an der Kaltreserve

Deutliche Kritik kam allerdings von der Grünen-Führung an den Plänen zur Energiewende: "Den Atomausstieg wollen wir unterstützen", heißt es in dem Leitantrag zum Sonderparteitag am Samstag kommender Woche. "Eine unsinnige Kaltreserve, mangelhafte AKW-Sicherheit, fehlende Endlagersuche und eine Energiewende, die zurück zur Kohle will, sind für uns dagegen nicht zustimmungsfähig." Auch SPD-Politikerin Kraft hatte die Ablehnung der Kaltreserve zuvor bekräftigt.

Der Vorschlag der Bundesregierung, ein Atomkraftwerk für ein Jahr als Reservekraftwerk vorhalten zu wollen, sei energiewirtschaftlich wenig nachvollziehbar, teuer und gefährlich, heißt es auch in einer von Greenpeace in Auftrag gegebene Kurzstudie des Instituts für Zukunftsenergiesysteme.

Demnach gibt es günstigere und sicherere Maßnahmen als die Kaltreserve, um einem möglichen Stromengpass im kommenden Winter zu begegnen. Möglich seien neben einem längeren Betrieb bestehender Reservekraftwerke wie beispielsweise dem alten Ölkraftwerk Pleinting auch Maßnahmen zur Reduzierung der Spitzenlast, etwa über einen schnelleren Ersatz von Stromheizungen. Laut der Studie ist die Wahrscheinlichkeit von Stromengpässen oder Netzinstabilitäten in Süddeutschland aber ohnehin gering und durch alternative Vorsorgeoptionen beherrschbar.

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