Süddeutsche Zeitung

Bundeshaushalt:Drei Freunde und das liebe Geld

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Die Haushälter des Bundes geben für dieses Jahr fast 500 Milliarden Euro an Ausgaben frei. Danach sind die Verhandler der Ampelregierung ein Herz und eine Seele.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Warum soll im Zahlensalat des Bundes nicht auch mal gelacht werden? Solche Momente habe es gegeben, sagt der grüne Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Mit seinen beiden Kollegen von SPD und FDP, Dennis Rohde und Otto Fricke, sei es jedenfalls "vielfach sehr angenehm und lustig" gewesen, was die beiden anderen nicht bestreiten. Die Atmosphäre sei immer so gewesen, "dass alle ein Ergebnis haben wollten", sagt Rohde.

Und FDP-Mann Fricke, der schon 2003 zum ersten Mal in einen Bundeshaushalt eingetaucht ist, lobt den kollegialen Geist und macht das an der Polarstern II fest: Seit zehn Jahren wird das neue Forschungsschiff geplant, doch nun sei der Weg frei, im Sinne aller Ampelparteien. Die FDP freue sich über mehr Forschung, die Grünen über neue Erkenntnisse zum Klimawandel und die SPD über neue Jobs in Werften. Denn gebaut werden muss das Schiff ja auch noch.

So geht es zu am Tag nach der ersten "Haushaltsbereinigungssitzung" der Ampelkoalition. Von zwölf Uhr mittags bis 2.40 Uhr am nächsten Morgen hatten die Haushälter des Bundestages zusammengesessen, was für derlei Sitzungen noch vergleichsweise kurz ist. Diese Sitzung ist für gewöhnlich auch eine Nacht der Wahrheit. Da werden Ministerien ihrer Ausgabenwünsche wegen in die Mangel genommen, und am Ende werden hier und da noch ein paar Millionen lockergemacht, während andere verschwinden.

Als die Sitzung endet, haben die Parlamentarier dem Bund Ausgaben in Höhe von 495,8 Milliarden Euro zugestanden, knapp zwölf Milliarden mehr als im ursprünglichen Entwurf. Das allerdings, ohne unter dem Strich mehr Kredite aufzunehmen, die Nettokreditaufnahme bleibt bei 138,9 Milliarden Euro. Es hatten sich noch einige Zusatzeinnahmen ergeben, etwa bei Steuern.

FDP-Mann Fricke: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not"

Von dem, was nach der Schuldenbremse maximal möglich wäre, ist das ohnehin meilenweit entfernt, das wären gut 23 Milliarden Euro Neuschulden gewesen. "Die FDP hat immer gesagt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not", sagt Fricke. Und jetzt sei eben Not.

Diese Not zieht sich durch die nächtlichen Beratungen der Haushälter. 200 Millionen Euro bewilligen sie für die Anmietung schwimmender Terminals für Flüssigerdgas, die russisches Gas ersetzen sollen. 90 Millionen Euro fließen zusätzlich für die Verteilung ukrainischer Kriegsflüchtlinge. Die Bundesanwaltschaft bekommt neues Personal für die Verfolgung von Kriegsverbrechen. Und eine Milliarde stellen sie in der Nacht noch ein für die direkten Hilfen an die Ukraine, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) tags zuvor im Kreis seiner G-7-Kollegen aus den großen Industriestaaten zugesagt hatte. Der Sonderfonds von 100 Milliarden Euro, den die Bundesregierung für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr plant, ist da noch nicht eingerechnet.

Und auch die andere Krise hinterlässt tiefe Spuren: Covid-19. So finden sich nach den Verhandlungen 1,1 Milliarden Euro zur Unterstützung der Krankenhäuser und 8,3 Milliarden für den Gesundheitsfonds. Weitere 830 Millionen Euro bewilligt der Haushaltsausschuss für die zentrale Beschaffung von Impfstoffen. "Alles irre" nennt das später AfD-Haushälter Peter Boehringer, zu viel Geld für eine abebbende Pandemie. Auch gebe der Bund viel zu viel für die Außen- und Entwicklungspolitik her.

Naturgemäß ist die Opposition mit den Ausgabewünschen der Regierungskoalition nicht einverstanden. Linkspartei und Union halten der Koalition vor, den Regierungsapparat aufzublähen. "Dieser Regierung fällt es schwer zu sparen", sagt Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Vieles, was sie an Entlastungen für Bürger einplane, von abgesenkten Energiesteuern über Heizkostenzuschüsse bis hin zu Steuerentlastungen, "kostet viel und bringt wenig".

Die Union klagt gegen 60 Milliarden Euro für den Energie- und Klimafonds

Das Neun-Euro-Monatsticket für den Nahverkehr etwa hätte sich die Union gern gespart, samt der dafür fälligen 2,5 Milliarden Euro. Und auch die Nettoneuverschuldung, so rechnet die Union vor, ließe sich um 88 Milliarden Euro drücken. Allerdings kalkuliert sie da großzügig auch mit jenen 60 Milliarden Euro, mit denen die Koalition den Energie- und Klimafonds bestückt hatte. Die Union hält diese Operation für verfassungswidrig und hat das Bundesverfassungsgericht in der Sache angerufen.

Die drei Freunde von der Koalition ficht das nicht an, sie sind nach der Bereinigungssitzung ganz im Reinen mit sich. "Es ist wie bei einer Ampel", sagt FDP-Mann Fricke: "Jedes Licht leuchtet auch mal und hat seine Funktion." Am Ende aber sorge das dafür, dass die Dinge vorankämen. Der Grüne Kindler wirft ein, der Haushalt stehe nun auf Grün, aber Fricke kontert. "Wenn die Ampel überall auf Grün steht, gäb's 'nen Unfall." Da lachen die drei.

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