Süddeutsche Zeitung

Bulgarien:Pro-Europäer siegen bei Parlamentswahl in Bulgarien

Lesezeit: 2 min

Von Florian Hassel, Warschau

Die europaorientierte konservative Gerb-Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow hat eine vorgezogene Parlamentswahl in Bulgarien gewonnen und nun die besten Chancen, das Sieben-Millionen-Einwohner-Land auch künftig zu regieren. Der Wahlkomission zufolge stimmten 32,6 der Bulgaren für die Gerb. Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die zuvor in Umfragen Kopf an Kopf mit der Gerb gelegen hatte, landete mit 27,1 Prozent der Stimmen deutlicher als erwartet auf dem zweiten Platz.

Gerb-Chef Borissow muss jetzt eine neue Koalition bilden: Da Borissows vorherige Koalitionspartner aus kleineren Reformparteien nicht mehr im Parlament vertreten sind, muss der wahrscheinliche Regierungschef mit nationalistischen oder populistischen Parteien koalieren. Drittstärkste Partei im Parlament wurde mit gut neun Prozent der Stimmen das aus drei nationalistischen bis rechtsextremen Parteien bestehende Bündnis "Vereinigte Patrioten". Zwei der drei hier vertretenen Parteien stehen zudem Russland nahe.

Das gleiche gilt für die vierte mit auch etwa neun Prozent der Stimmen ins Parlament eingezogene Partei DPS, die nominell vor allem die Stimmen türkischstämmiger Bulgaren einsammelt, doch von Oligarchen mit teils starken Russland-Kontakten dominiert wird. Auch eine neue Partei Wolja des populistisch auftretenden Apothekenmillionärs Wesselin Mareschki schaffte es mit gut vier Prozent der Stimmen noch ins Parlament.

Den Wahlkampf dominierten Versprechen wie eine deutliche Erhöhung der Renten und nationalistische Losungen gegen den angeblich übermächtigen Einfluss der EU, der USA oder auch der Türkei. Weitgehend ruhig blieb es um den starken Einfluss des Kreml auf die Politik Bulgariens. Nicht nur "Vereinigte Patrioten" und DPS sind teils eng mit Russland verbunden, sondern vor allem auch der Wahlzweite, die BSP, Nachfolgerin der bulgarischen Kommunisten: Deren Chefin Kornelia Ninowa klärte offenbar nicht nur die Kandidatur des Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei mit einem kremlnahen Ex-Spion ab. Dem Wall Street Journal zufolge soll der Putin-Vertraute Leonid Reschetnikow der BSP-Chefin im August 2016 ein Dossier mit Ratschlägen zur Manipulation bulgarischer Medien und Umfragen im Wahlkampf überreicht haben.

Der Ex-Spion bestritt dies. BSP-Chefin Ninowa erregte zuletzt mit einer Rede am 19. März Aufsehen: "Demokratie hat uns viel genommen. Sie hat uns die Gesundheitsvorsorge genommen, Ausbildung, Sicherheit", sagte Ninowa. Zwar habe Demokratie den Bulgaren "die Freiheit zu denken gegeben", doch selbst diese Freiheit habe Borissow den Bulgaren als Ministerpräsident genommen. Als Regierungschefin wolle sie ihr Veto gegen die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland einlegen, kündigte Ninowa im Wahlkampf an.

Sollte Gerb-Chef Borissow keine arbeitsfähige Koalition zustande bringen, ist auch eine Regierungsbildung unter Führung der BSP möglich. Scheitern auch diese Verhandlungen, würde in Bulgarien abermals gewählt.

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Quelle:
SZ vom 27.03.2017
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