Süddeutsche Zeitung

Brexit:Toxische Mischung

Premier Boris Johnson will bis Jahresende die Fesseln der EU endgültig abgestreift haben, komme, was da wolle. Das Versprechen ist nicht haltbar. Denn eine Kombination aus hartem Brexit und Corona-Krise würde Großbritannien heillos überfordern.

Von Alexander Mühlauer

In Sachen Brexit schreckt Boris Johnson nicht vor großen Worten zurück. Als es etwa darum ging, den Austrittsvertrag mit Brüssel zu verhandeln, bezeichnete der Premierminister ein mögliches Scheitern als "Versagen der Staatskunst". Nun, da es gilt, ein Freihandelsabkommen auszuhandeln, wird Johnson erneut zeigen müssen, wie es um seine Staatskunst bestellt ist. Der Premier steht jetzt vor der Frage, ob er seinem Land in der Corona-Krise auch noch einen harten Brexit aufbürdet.

Gewiss, Johnson hat es immer strikt abgelehnt, die bis Jahresende geltende Übergangsphase zu verlängern. Geht es nach ihm, soll das Vereinigte Königreich danach endlich frei von den Fesseln der EU seine angeblich glorreiche Zukunft selbst gestalten können. Doch angesichts der Pandemie, der sich auch Großbritannien nicht entziehen kann, ist dieses Versprechen nicht mehr haltbar. Ein verantwortungsvoller Premier muss den Bruch mit der EU aufschieben. Denn eine Kombination aus Corona-Krise und einem harten Brexit, wie ihn Johnson anstrebt, wäre für Großbritannien toxisch.

Natürlich müsste der Premierminister seine Kehrtwende gegenüber den Brexiteers rechtfertigen. Aber das sollte Johnson gelingen, schließlich zählt die Kunst der Rhetorik wahrhaftig nicht zu seinen Schwächen.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2020
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