Süddeutsche Zeitung

Brexit-Chaos:Keine Mehrheit für Niemand

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Von Cathrin Kahlweit, London

Die britische Premierministerin Theresa May hat am Mittwoch vor ihrer konservativen Fraktion angekündigt, sie werde von ihrem Amt zurücktreten - falls der Austrittsvertrag, den sie mit der EU ausgehandelt hat, die Zustimmung des Parlaments finden sollte. Sie habe verstanden, so May, dass es das Bedürfnis nach einer neuen Führung und einem neuen Zugang zu den Brexit-Verhandlungen gebe; sie sei bereit, früher als geplant in die zweite Reihe zu treten und einen "ordentlichen und eleganten" Übergang zu organisieren.

May nannte allerdings kein konkretes Datum für einen Rücktritt. Offen blieb auch, was passiert, wenn der Deal, den das Unterhaus bereits zweimal abgelehnt hat, ein drittes Mal scheitern würde. Ihre Erklärung enthielt keinen Hinweis darauf, ob sie auch zurücktreten würde, wenn etwa eine weitere Verschiebung des Austrittsdatums nötig würde oder sich die Abgeordneten, die am Nachmittag Probeabstimmungen über alternative Lösungen durchführten, für einen anderen Weg entscheiden. Ein weiteres Problem für die Premierministerin ist, dass Parlamentssprecher John Bercow am Mittwoch im Parlament klargemacht hat, dass sein Veto von vergangener Woche gilt und May den Deal nicht ein drittes Mal zur Abstimmung vorlegen kann, wenn er nicht grundlegende Änderungen enthält.

Die Zustimmung der DUP ist weiterhin fraglich

Zahlreiche Tory-Abgeordnete haben nach Mays Erklärung, die ein Junktim zwischen Rücktritt und "Ja zum Deal" enthielt, mitgeteilt, sie seien jetzt bereit, für den Austrittsvertrag zu stimmen. Am Abend ließ indes die nordirische DUP, von der Mays Mehrheit im Parlament abhängt, wissen, sie bleibe bei ihrem Nein. Die DUP hat sich immer vehement gegen das Abkommen ausgesprochen; zahlreiche Tories haben ihre eigene Zustimmung von einer Zustimmung der DUP abhängig gemacht.

Der angekündigte Rücktritt der Premierministerin im Falle einer erfolgreichen ersten Phase des Brexit-Prozesses, den Insider in Westminster längst erwartet hatten, hängt also letztlich von zahlreichen Unwägbarkeiten ab. Ungeachtet der Schlagzeilen, die Mays Erklärung vor der Tory-Fraktion machte, stimmten die Parlamentarier im Unterhaus am Mittwochabend über insgesamt acht Vorschläge ab, wie das Land auf andere Weise als mit dem bereits vorliegenden Austrittsvertrag die EU verlassen könnte. Allerdings fand kein einziges Modell eine Mehrheit.

Eine permanente Zollunion und ein zweites Referendum, das den Briten nach der etwaigen Einigung auf einen Austrittsdeal vorgelegt würde, bekamen von allen Vorschlägen noch die meisten Stimmen. Brexit-Minister Stephen Barkley forderte die Abgeordneten daher auf, nun doch für Mays Deal zu stimmen. Der Chef der Schottischen Nationalpartei schlug hingegen Neuwahlen vor, um den Stillstand zu beenden. Möglicherweise aber wird das Unterhaus am Montag weiter über alternative Modelle debattieren. Alles hängt indes davon ab, ob May mit dem Plan weitermacht, ihren Deal im Unterhaus einzubringen. Offenbar ist der Freitag dafür reserviert, falls sie einen Weg findet, dem Parlamentspräsidenten eine Genehmigung abzuringen.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2019
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