Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Boris Johnson muss sich vor Gericht verantworten

Lesezeit: 2 min

Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson muss sich im Zusammenhang mit dem geplanten Brexit vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, die Öffentlichkeit beim Brexit-Referendum 2016 und bei der Neuwahl 2017 mit falschen Angaben in die Irre geleitet zu haben. Konkret geht es um die Summe, die Großbritannien wöchentlich an die Europäische Union zahlt. Johnson ist Favorit unter den Bewerbern für die Nachfolge der konservativen Premierministerin Theresa May, die ihren Rücktritt angekündigt hat.

Die Entscheidung, Johnson vor ein Gericht in Westminister zu laden, verkündete am Mittwoch die Bezirksrichterin Margot Coleman. Sie betonte, die Anschuldigungen gegen Johnson seien unbewiesen und sie werde auch nicht darüber urteilen. Das könne erst in einer höheren Instanz geschehen. Es seien aber alle Bedingungen erfüllt, um eine Anhörung durchzuführen. Ein Datum für den Gerichtstermin wurde noch nicht genannt.

Die Vorwürfe gegen Johnson stammen von dem Aktivisten Marcus Ball. Seine Aktivitäten werden durch Crowdfunding finanziert. Balls Anwälte werfen Johnson vor, bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben mit der Behauptung, Großbritannien überweise der EU wöchentlich 350 Millionen Pfund (442 Millionen Euro). Diese Aussage fand sich unter anderem auf Bussen in London, die für den Brexit warben.

Johnsons Anwalt hatte dies in einer früheren Anhörung zurückgewiesen. Der Politiker habe niemals unangemessen oder unehrlich agiert. Johnsons Anwälte erklärten, hinter den Beschuldigungen steckten politische Motive. Es gehe der Gegenseite nicht darum zu gewinnen, sondern einzig darum, das Verfahren als solches in die Öffentlichkeit zu tragen. Damit werde das Strafrecht missbraucht.

Für seine Angaben hatte Johnson bereits in der Vergangenheit heftige Kritik einstecken müssen. So rügte der Chef der britischen Überwachungsbehörde für öffentliche Statistiken in einem öffentlichen Brief den exzentrischen Politiker: Es handle sich bei den 350 Millionen Pfund um einen Bruttobetrag, bei dem nicht in Betracht gezogen werde, dass Großbritannien auch Geld von der EU zurückerhalte. "Das ist ein klarer Missbrauch öffentlicher Statistiken", hieß es damals in dem Schreiben.

Großbritannien soll bis zum 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Das von May mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen wurde aber vom über den Brexit-Kurs zerstrittenen Parlament bisher drei Mal abgelehnt. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Bleibt es dabei, droht ein abruptes Ende der Mitgliedschaft mit dramatischen Folgen.

Johnson war im vergangenen Jahr aus Protest gegen den Brexit-Kurs von May von seinem Amt als Außenminister zurückgetreten. Er will nun May beerben. Bis Ende Juli soll ihr Nachfolger bestimmt werden. Dann will May auch die Regierungsgeschäfte abgeben. Insgesamt hat sich ein knappes Dutzend Politiker für die Nachfolge beworben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4467718
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/kit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.