Süddeutsche Zeitung

Bremen:Gericht verhindert Abschiebung eines islamistischen Gefährders

Lesezeit: 2 min

Von Benedikt Peters

Er war schon auf dem Weg zum Flughafen nach Frankfurt, als der Polizeiwagen plötzlich umdrehte. Die Abschiebung eines 18-Jährigen aus Bremen am gestrigen Dienstag ist in letzter Minute verhindert worden. Das Pikante daran: Der Mann soll mit der Terrormiliz Islamischer Staat sympathisieren und Selbstmordgedanken hegen. Einem Spiegel-Bericht zufolge soll er in einem Internetchat geäußert haben, er sei bereit, bei einem Anschlag in Deutschland mitzumachen. Die Bremer Innenbehörde stuft ihn daher als "Gefährder" ein, Funktionstyp "Akteur".

Geboren wurde der Mann in Dagestan. Das Land Bremen versucht daher, ihn in die zu Russland gehörende Kaukasusrepublik abzuschieben. Seit seinem 18. Geburtstag im März sitzt er in Abschiebehaft.

"In Dagestan verschwinden immer wieder Menschen"

Dass die Abschiebung nun gestoppt wurde, liegt an einer Intervention des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Wie der Weserkurier berichtet, schickte das Gericht am Montagabend ein Ersuchen nach Bremen. Darin fordert es die zuständige Innenbehörde auf, die Abschiebung zu unterlassen, bis das Gericht endgültig darüber entschieden hat, ob sie rechtens ist oder nicht.

Christine Graebsch, die Anwältin des 18-Jährigen, argumentiert, dass der Mann nicht abgeschoben werden dürfe, da ihm in Dagestan Gefahren drohten. "Wegen seiner Einstufung als Gefährder in Deutschland würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Dagestan verhaftet werden", sagt Graebsch. "Der russische Staat hat schließlich ein Interesse daran, islamischen Terrorismus zu verhindern, und das kann man ihm ja auch nicht verdenken."

Problematisch seien aber die Haftbedingungen in Dagestan. Es sei damit zu rechnen, dass der 18-Jährige dort gefoltert werden würde. Hinzu komme, dass in Dagestan immer wieder Menschen aus dem Polizeigewahrsam verschwänden. "Eine Abschiebung unter diesen Umständen wäre unvereinbar mit Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention".

Bis Mitte August muss die Bundesregierung in Straßburg vorsprechen

Die Bremer Innenbehörde hingegen beruft sich auf Artikel 58 des Aufenthaltsgesetzes. Demnach kann eine Person abgeschoben werden, wenn es eine "auf Tatsachen gestützte Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" gibt. Sie hält den Mann auch deswegen für gefährlich, weil er einer Person aus der Essener Islamisten-Szene mögliche Anschlagsziele in Bremen genannt haben soll.

Seine Anwältin Graebsch hatte bereits vor dem Bundesverwaltungs- und dem Bundesverfassungsgericht versucht, die Abschiebung zu verhindern. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, der Mann könne zwar nicht nach Dagestan abgeschoben werden, dafür aber an andere Orte in Russland. Dieser Argumentation ist der EGMR nicht gefolgt. Die Bundesregierung muss nun bis zum 18. August in Straßburg begründen, warum sie eine Abschiebung des 18-Jährigen für erforderlich hält. Eine Entscheidung wird es voraussichtlich in zwei bis vier Monaten geben.

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