Süddeutsche Zeitung

Brasilien:Tod eines Gurus vom rechten Rand

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Einen Tag Staatstrauer für einen Verbreiter von Verschwörungsmythen: Olavo de Carvalho, die Eminenz der brasilianischen Rechten, ist tot.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wahrscheinlich war es unausweichlich, dass Olavo de Carvalhos Tod umrankt ist von Unklarheiten, Spekulationen und Anschuldigungen. Am Montagabend ist der brasilianische Verschwörungsgläubige, der auch als rechter Guru von Präsident Jair Bolsonaro galt, in der Nähe seines Wohnorts im US-Bundesstaat Virginia gestorben.

74 Jahre alt wurde Carvalho, woran er starb, ist nicht ganz klar, gleichzeitig ist dies aber eben auch nicht ganz unerheblich, schließlich war der selbsternannte Philosoph zuletzt vor allem auch als radikaler Corona-Leugner in Erscheinung getreten. Das Virus sei kaum mehr als "ein Grusel-Geschichtchen" erklärte Carvalho unlängst noch, erzählt, um den Menschen Angst einzujagen.

Mitte Januar erkrankte er dann vermutlich selbst an dem Erreger. Während sein Arzt erklärte, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Covid-Infektion und dem Tod Carvalhos, behauptet eine seiner Töchter, die sich längst von ihm losgesagt hat, das Gegenteil: " Olavo starb an Covid", schrieb Heloisa de Carvalho auf Twitter. "Möge Gott ihm all seine Schandtaten verzeihen."

Nur wenige Persönlichkeiten haben Südamerikas größte Nation zuletzt so gespalten wie Olavo de Carvalho: Einst kaum mehr als ein kruder Kolumnist vom äußersten rechten Rand, bekamen seine Verschwörungsmythen erstmals breiten Auftrieb mit dem wirtschaftlichen Abstieg Brasiliens gegen Ende der Nullerjahre. Tausende verloren ihre Jobs, die Kriminalität explodierte, dazu kam weitverbreitete Korruption quer durch alle politischen Parteien.

Carvalho witterte hinter dem allen eine linke Verschwörung. Er kämpfte für das Recht auf Waffen und gegen den angeblichen Verfall christlicher Werte. Immer mehr Menschen folgten ihm im Netz, und immer öfter sah man auf Demonstrationen auch Menschen mit T-Shirts, auf denen "Olavo hat recht" stand.

Als dann 2018 Präsidentschaftswahlen in Brasilien stattfanden, nutzte Jair Bolsonaro die Kraft dieser ultrarechten Strömung. Immer wieder bezog er sich im Wahlkampf auf Carvalho. Nach dem Sieg sollen einige Minister dann direkt auf dessen Vorschlag hin ernannt worden sein, darunter Hardliner wie der ehemalige Außenminister Ernesto Araújo, der im Klimawandel eine Verschwörung der globalen Linken sah, genauso wie der Ex-Bildungsminister Abraham Weintraub, der öffentlich erklärte, die Droge Crack sei von Kommunisten nach Brasilien gebracht worden, um das Land zu schwächen.

Bald nach dem Amtsantritt von Jair Bolsonaro begann Olavo de Carvalho aber auch mit öffentlicher Kritik am Präsidenten. Dieser sei viel zu zögerlich im Kampf gegen den Marxismus.

Die große Frage ist nun, ob der Tod Carvalhos auch Auswirkungen auf die Wahlen haben könnte, die dieses Jahr in Brasilien stattfinden werden. Die Covid-19-Pandemie hat das Land schwer getroffen, die Wirtschaft liegt am Boden. Viele geben vor allem auch Jair Bolsonaro die Schuld an der Misere, die Umfragewerte des Präsidenten sind im Keller, der Tod Carvalhos könnte so gesehen ein weiteres Symbol für das Ende der Ära Bolsonaro sein. Im Netz jubeln jetzt seine Kritiker. " Carvalho ist ein Platz in der Hölle gewiss", hieß es etwa auf Twitter.

Gleichzeitig aber gibt es da noch die weitverbreitete Angst in konservativen Kreisen vor einer Rückkehr der Linken. Jair Bolsonaro wird versuchen, diese für sich zu nutzen - auch, indem er die Ideen Carvalhos zitiert. Dieser sei "einer der größten Denker in der Geschichte Brasiliens" gewesen, erklärte der Präsident und verhängte einen Tag Staatstrauer.

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