Brandenburg:"Frauen haben Anspruch auf die Hälfte der Macht"
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Von Jens Schneider, Potsdam
Der Name des Gesetzes ist so einfach wie sein Prinzip. Aber es hat eine lange Geschichte und könnte weit über Potsdam und Brandenburg hinaus Diskussionen auslösen. Der Entwurf mit dem schlichten Titel "Parité-Gesetz" soll dafür sorgen, dass Frauen und Männer künftig in den Parlamenten Brandenburgs in gleicher Zahl vertreten sein werden. Es werde zum ersten Mal in Deutschland in einem Land per Gesetz festgelegt, dass die Listen aller Parteien paritätisch zu besetzen sind, kündigte der SPD-Fraktionsvorsitzende Mike Bischoff in Potsdam an.
Mit diesem Vorhaben betreten die Gesetzgeber in Brandenburg Neuland. Man glaube, Vorbild für andere sein zu können. An diesem Donnerstag hat der Landtag in Potsdam das von den Regierungsfraktionen SPD und Linker vorgelegte Gesetz nun verabschiedet. "Das neue Paritégesetz ist ein großer Sieg für die Demokratie", sagte Brandenburgs Parlamentspräsidentin Britta Stark (SPD) danach. "Es geht nicht um ein Frauenthema, sondern um das Ganze. Ich spreche nicht von einer Quote, sondern von Demokratie. Frauen haben Anspruch auf die Hälfte der Macht - ohne sie ist kein Staat zu machen." Kritiker des Gesetzes haben bereits Verfassungsklagen angekündigt. CDU und AfD halten das Gesetz für verfassungswidrig und stimmten dagegen.
Nur wenige Tage liegen die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts zurück, bei denen viele Redner ein großes Defizit in den Parlamenten beklagten und Quoten forderten. Denn Frauen sind deutlich unterrepräsentiert, im Bundestag ist der Frauenanteil zuletzt sogar zurück gegangen (die 2017 eingezogene AfD-Fraktion besteht überwiegend aus Männern). Er liegt bei 31,3 Prozent.
In Landesparlamenten sieht es ähnlich aus, im brandenburgischen Landtag sind 39 Prozent der Abgeordneten Frauen, in den kommunalen Vertretungen des Landes rund 23 Prozent. Seit Längerem haben sich in vielen Ländern Initiativen für eine gesetzliche Lösung eingesetzt. International gilt Frankreich als ein Vorbild, dort gibt es seit 15 Jahren ein Gesetz. Hierzulande haben zwar Parteien wie die SPD, die Grünen oder die Linken längst für sich Regelungen gefunden, um eine ausgeglichene Repräsentanz der Geschlechter zu erreichen. "Aber die Entwicklung zeigt deutlich, dass es von allein nicht geht", sagt die Brandenburger SPD-Abgeordnete Klara Geywitz mit Blick auf die generelle Zusammensetzung der Parlamente.
In der vergangenen Woche legten SPD und Linke einen Gesetzentwurf vor. Der Landtag votierte am Donnerstag in Potsdam mit den Stimmen der rot-roten Regierungsfraktionen und der Grünen für diese Änderung des Wahlgesetzes. Gelten soll sie von 2020 an, also erst nach der Landtagswahl in diesem Herbst. Begonnen hat die Diskussion über dieses Gesetz in Potsdam schon vor einem Jahr mit einer Initiative der Grünen-Landtagsfraktion, die weitergehende Regelungen vorschlugen und auch die Direktkandidaten quotieren wollten. Ihre Initiative fand viel Zustimmung, stieß aber auch auf Kritik. Zudem ist sie juristisch umstritten. Ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtages, das auf Antrag der AfD-Fraktion erstellt wurde, kam im vergangenen Herbst zu dem Schluss, dass der Entwurf aus gleich mehreren Gründen verfassungswidrig sei. So verstoße er unter anderem gegen das Verbot einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts und auch gegen das Gebot der Gleichheit bei einer Wahl. Auch werde das Recht der Parteien beschränkt, Bewerber nach ihren Vorstellungen auszuwählen.
SPD und Linkspartei haben den Entwurf der Grünen nun abgemildert und bezogen zudem anders als die Grünen die Direktkandidaten nicht ein. Die Angelegenheit sei juristisches Neuland, sagt die SPD-Politikerin Geywitz zu dem Gesetz und sieht die Bestrebung ganz im Sinne der Verfassung. Einerseits gehe es zwar darum, wichtige Grundrechte zu achten. Aber es gebe, so betont Geywitz, eben auch den Auftrag an den Staat laut Artikel 3 des Grundgesetzes: Demnach soll der Staat die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken. Deshalb sehen sie und die anderen Befürworter das Gesetz ganz im Sinne der Verfassung angelegt.
Es gab heftigen Widerspruch im Parlament. Der CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher sprach bei der Beratung im Innenausschuss vor einer möglichen Staatskrise, weil es gegen die Regelung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gebe. Wörtlich sagte er: "Wenn nach dem Inkrafttreten Neuwahlen notwendig würden und die Verfassungsgerichte noch nicht abschließend entschieden haben, hätten wir eine veritable Staatskrise."
Ihr Gesetz sei in Übereinstimmung mit den verschiedenen Vorgaben, sagt dagegen die Sozialdemokratin Geywitz, "wir haben uns sehr angestrengt und die mildesten Mittel gewählt". Geywitz erwartet dennoch Verfassungsklagen von Gegnern - sie seien "eher hilfreich als schädlich". Man könne viele Meinungen und Gutachten einsammeln, "aber entscheiden kann nur ein Verfassungsgericht, dann wäre das ein für allemal geklärt". Schon jetzt werde das Vorhaben in anderen Landtagen und von Bundesjustizministerin Katarina Barley mit viel Sympathie verfolgt. "Ich denke mal", sagt Geywitz, "dass sich viele andere Parlamente sehr motiviert fühlen werden."