Süddeutsche Zeitung

Bericht über Chatgruppen:Auch der Berliner Polizei droht ein Rassismus-Skandal

Lesezeit: 2 min

Mehrere Berliner Polizisten sollen sich in einer Chatgruppe rassistisch geäußert haben. Die Behörde leitet umgehend ein Strafverfahren ein.

Auch in den Reihen der Berliner Polizei soll es in einer Chatgruppe rassistische Äußerungen gegeben haben. Die Behörde leitete nach einem entsprechenden Bericht des ARD-Magazins Monitor ein Strafverfahren ein. In dem Chat würden Muslime als "fanatische Primatenkultur" bezeichnet, Flüchtlinge mit Vergewaltigern oder Ratten gleichgesetzt und Neonazis als mögliche "Verbündete" bei linken Demonstrationen genannt, heißt es in dem Beitrag, der am Donnerstagabend ausgestrahlt werden soll.

Rassisten hätten in der Polizei keinen Platz, hieß es einer Mitteilung der Berliner Polizei vom Donnerstag. "Den Informationen zufolge, die wir der aktuellen medialen Berichterstattung entnehmen konnten, wurde eine Chatgruppe zutage gefördert, in der disziplinarwürdige und strafbare Inhalte geteilt wurden", erläutert die Polizei. "Mit Kenntnis des Sachverhalts haben wir unmittelbar ein Strafverfahren eingeleitet und die Ermittlungen aufgenommen." Dazu zählten auch die Recherchen zum Inhalt der Nachrichten, zur Dauer des Bestehens der Gruppe, zur Anzahl der Nutzenden sowie zu den betroffenen Dienststellen.

Laut Monitor handelt es sich um den internen Chat einer Dienstgruppe, in dem sich mehr als 25 Beamte ausgetauscht haben sollen. Vor allem sieben Beamte hätten sich darin regelmäßig klar rassistisch geäußert, häufig in Form von vermeintlichen Witzen, heißt es in dem Bericht. Kollegen hätten die Äußerungen oft mit Zustimmung kommentiert.

Ein Vorgesetzter der Gruppe sei über rassistische Äußerungen im Chat informiert gewesen. In einer E-Mail habe er die Beamten aufgefordert, keine strafrechtlich relevanten Inhalte zu teilen. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte dazu laut Magazin: "Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist dies absolut inakzeptabel und hat nichts mit einer modernen, weltoffenen Hauptstadtpolizei zu tun."

Nach Angaben der Verwaltung legte die Redaktion dem Senator drei Beispiele vor, alles Weitere sei noch offen. Kenntnisse über den weiteren Umfang und Inhalt der Chats, die Beteiligten und die Dienststelle lägen nicht vor. "Wir begrüßen, dass Polizei Berlin umgehend Ermittlungen aufgenommen hat", teilte die Innenverwaltung auf Twitter mit.

Nach Angaben der Monitor-Redaktion ist ihr der Chatverlauf von Berliner Polizisten zugespielt worden. Sie fürchteten dienstliche Konsequenzen und wollen anonym bleiben. Demnach sei ein Vorgesetzter über die rassistischen Inhalte informiert gewesen, sei aber nicht eingeschritten.

In der Stellungnahme der Berliner Polizei heißt es, dass die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiter nach den Werten der Demokratie lebten und handelten. Dazu zähle, Fehlverhalten zur Anzeige zu bringen. "Denn es ist unerträglich, solche unter uns zu wissen, die sich aufgrund ihrer Herkunft über andere erheben und den Ruf eines ganzen Berufsstandes schädigen." Die Polizei stelle sich dem mit allen rechtlichen Mitteln bis hin zur Entlassung entgegen.

Die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich überzeugt, dass die Berliner Polizei "sich mit den Vorwürfen auseinandersetzt, das lückenlos aufklärt und dementsprechende Konsequenzen zieht", wie sie mitteilte.

In NRW stehen nun auch Verfassungsschutzmitarbeiter unter Verdacht

In Nordrhein-Westfalen erreicht die Affäre um rechtsextreme Tendenzen bei der Polizei jetzt auch den Verfassungsschutz. Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums bestätigte am Donnerstag, dass drei Beamte einer Observationsgruppe des NRW-Verfassungsschutzes unter Verdacht stehen, fremden- und islamfeindliche Inhalte in einer Chatgruppe ausgetauscht zu haben. Beim vierten Verdachtsfall im Innenministerium handele es sich um einen Verwaltungsmitarbeiter. Die Rheinische Post hatte zuerst berichtet. Es seien disziplinar- und personalrechtliche Maßnahmen eingeleitet worden. Das Observationsteam sei keinem Spektrum fest zugeordnet, habe also auch Rechtsextremisten überwacht, hieß es.

Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht bei der Aufklärung und Ahndung rechtsextremer Umtriebe in den Sicherheitsbehörden zumindest auf Bundesebene keine Defizite. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sei die Linie der Bundesregierung eindeutig, sagte der CSU-Politiker im Bundestag: "Wir klären auf, wir vertuschen nichts, und wir verfolgen rigoros."

Gemeinsam mit den Präsidenten der ihm unterstehenden Sicherheitsbehörden will Seehofer am kommenden Dienstag einen Lagebericht zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen bei der Polizei und in anderen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern vorstellen. Erstellt wurde der Bericht vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5051826
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.